Gedenkstein für Victor und Auguste Fischel auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg

Victor Fischel

  • Geburtsdatum: 16.11.1856
  • Geburtsort: Elberfeld
  • Beruf: Kaufmann
  • Wohnort:

    Friedrichstraße 61, Hansastraße 60, Wortmannstraße 38, Hellerstraße 11, Distelbeck 21, Hofaue 60

  • Todesdatum: 19.08.1942
  • Todesort: Ghetto Theresienstadt

Der Kaufmann Victor Fischel war am 16. November 1856 als Sohn von Benedict Fischel in Elberfeld geboren worden. Nach dem Abitur erlernte er den Kaufmannsberuf und wurde Handelsvertreter und Gründer der Firma Victor Fischel. Mit dieser Firma vertrat er, gemeinsam mit seinem Sohn Hans und der Tochter Gertrud, Firmen der Knopf- und Besatzartikel-Branche, und später kamen Kleiderstoffe hinzu.

Victor Fischel genoss in der Branche großes Vertrauen und war im Vorstand des Handelsvertretervereins. Auf seine Initiative gründete der Wuppertaler Handelsvertreterverein einen Fonds, um damit die Witwen und Waisen verstorbener Kollegen zu unterstützen.

Victor Fischel war ein großer Patriot, der Deutschland über alles liebte. Er war einer der ersten Bürger, der 1914 eine Kriegsanleihe zeichnete. Zugleich war er aber auch ein gläubiger Jude und engagiertes Mitglied der jüdischen Gemeinde. Er amtierte als Schriftführer der „Chewra Kaddischa“, also der Organisation innerhalb der Gemeinde, die sich um die Kranken und Sterbenden kümmerte, nach dem Tod für die Ausstattung der Leiche, für Totenwache und Begräbnis sorge. Victor Fischel und seine Frau engagierten sich auch sozial: Gemeinsam mit anderen Gemeindemitgliedern gründeten sie das „Pensions- und Gesellschaftshaus“. Das Heim befand sich in der Untergrünewalder Straße 4, wo junge alleinstehende Frauen wohnen konnten. Manche der Bewohnerinnen waren häufig Gäste im Haus Fischel.

Als angesehenes Mitglied der Gemeinde unterhielt Victor Fischel gute Beziehungen zu den Vorstandsmitgliedern und nahm an allen Gemeindeangelegenheiten rege Anteil. Hausgäste waren die Kantoren Magnus Wetzstein, Hermann Zivi und Gustav Sussmann und auch die Rabbiner Zacharias Auerbach und später Joseph Norden. Victor Fischels Tochter Gertrud erinnerte sich später:

Doktor Norden war ein hervorragender Kenner des Talmuds. […] Doktor und Frau Norden waren Seelsorger im wahrsten Sinne des Wortes. Ich weiß, sie haben im Stillen viel Gutes getan. Doktor Norden war, was wir heute einen liberalen Rabbiner nennen würden. Die Idee des liberalen Judentums war damals in ihren Anfängen und Doktor Norden ein Vorkämpfer. Mein Vater, der die gleichen Ideen hatte, und Doktor Norden wurden bald treue Freunde. Da die Nordens Kinder und besonders ich im gleichen Alter waren, wurde es gar bald zu einer Familienfreundschaft. […] Oft waren Nordens auch unsere Gäste. Deutsche Gebete wurden neben den hebräischen dem Gottesdienst beigefügt, eine Orgel angeschafft und der Synagogenchor gegründet. So wurde der Gottesdienst sehr verschönert und den meisten Betern, die hebräisch kaum noch konnten, der Gottesdienst verständlich gemacht.

Wie gesagt, bedeuteten alle diese Neuerungen einen schweren Kampf mit Leuten in der Gemeinde, die an der alten Tradition festhalten wollten. Viele Diskussionen fanden statt und Vater war an all diesen auf das Regste beteiligt. Redner, von Berlin und anderen Plätzen kamen, vom Reichsverband der deutschen Juden (später Reichsvertretung). Diese waren oft Gäste zum Abendbrot in unserem Hause. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Frage für oder gegen die zionistische Idee lebhaft diskutiert. […] Es bestand in Elberfeld eine kleine Schar von Juden, die an der alten jüdischen Tradition hingen, den Sabbat und die Speisegesetze strengstens hielten. Sie hatten ihren eigenen Gottesdienst in einem Betsaal […]. Der Vorbeter dieser viel kleineren Gemeinde war Herr Weingarten. Auch mit ihm und seiner Familie waren wir sehr bekannt. Vater und Bruder Hans traten 1920 dem Wuppertaler Zweig des Ordens B`na B`rith bei und Bruder Hans war bald Mitglied des Rates der Loge.

Doch das hohe Ansehen nutzte Victor Fischel in den Verfolgungsjahren der NS-Herrschaft nichts mehr. Am 2. November 1938, wenige Tage vor dem Novemberpogrom gegen die Juden, meldete er die Firma ab, und im Dezember verkaufte er das Grundstück an der Hansastraße 60. Alle seine Kinder konnten emigrieren, nur seine Tochter Karoline Strauss, die als Krankenschwester im jüdischen Altersheim in Köln arbeitete, gelang es nicht mehr, aus Deutschland herauszukommen. Tatenlos mussten Victor und seine Frau Auguste erleben, wie Karoline im November 1941 nach Minsk deportiert wurde.

Ihre letzte Wohnung hatten Fischels in der Wortmannstraße 38, im Haus der Witwe Jenny Leven, die sich im Januar 1942, 74-jährig, das Leben genommen hatte. Dort erhielten sie eines Tages im Juli 1942 einen Brief, der sie aufforderte, sich am 20. Juli 1942 auf dem Bahnhof Steinbeck einzufinden. Von dort wurden sie nach Theresienstadt verschleppt. Schon einen Monat später starb Victor Fischel dort, 86 Jahre alt. Seine Frau Auguste wurde noch im September in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort am 23. September ermordet, 72 Jahre alt.

Bildnachweis


  • Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, Foto: Matthias Wellmer

Quellen


Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, Sammlung Föhse; Stadtarchiv Wuppertal, Akten für Wiedergutmachung 617278, 424724