
Jenny Leven, geb. Heilbrun
Jenny Heilbrunn wurde am 24. September 1868 in Eisleben geboren. Sie war verheiratet mit dem späteren Sanitätsrat Dr. Leonhard Leven und hatte mit ihm drei Kinder: Käthe, geboren 1891, Otto, geboren 1892 und Gertrud, geboren 1896.
Die Levens wohnten in ihrem eigenen Haus in der Wortmannstraße 38. Die älteste Tochter Käthe heiratete 1917 in Köln einen Herrn Goldmann, der aber schon ca. 1928 starb. In zweiter Ehe heiratete Käthe den nichtjüdischen Dr. Carl Nießen. Er nahm am Krieg als Leutnant teil und fiel an der Ostfront.
Die jüngste, Gertrud, heiratete am 6. Februar 1926 in Elberfeld Dr. Joseph Rothkopf (1898-1982), mit dem sie u.a. den Sohn Wolfgang bekam.
Was mit dem Sohn Otto passierte, ist nicht bekannt.
Jenny und ihr Mann waren schon 70 und 75 Jahre alt, als sie in Wuppertal die antijüdischen Ausschreitungen miterleben mussten. Nur eine Woche später starb Jennys Mann Dr. Leonhard Leven – es gibt keinen Hinweis auf Fremdverschulden oder Freitod, aber dass der Pogrom den beiden alten Menschen psychisch und physisch zugesetzt haben wird, ist sehr wahrscheinlich.
Ein Jahr später wurde das Haus in der Wortmannstraße 38 zu einer Zwangsunterkunft für jüdische Bürgerinnen und Bürger erklärt, die von ihren nichtjüdischen Vermietern gezwungen worden waren, ihre Wohnungen zu verlassen. In das Haus der Witwe Leven, wo schon der Rechtsanwalt Gustav Brück mit seiner Frau und der Kaufmann Siegfried Leyser wohnten, zogen nun viele verschiedene Menschen ein: Georg und Hildegard Aronstein, Julie Blumenthal, Auguste und Viktor Fischel, Bertha Löwenthal, Henny und Max Meyer Sternberg, Helene Wertheim.
Sogar noch in dieser Zeit kam gelegentlich der frühere Elberfelder Rabbiner Dr. Joseph Norden aus Hamburg nach Wuppertal, um seine Gemeinde zu besuchen. Dabei wurde er Zeuge der Bemühungen in der kleinen Restgemeinde, trotz der erdrückenden Lebensumstände und der extrem angespannten Atmosphäre den Anschein einer gewissen Normalität herzustellen und zu wahren. Am 25. Mai 1941, wenige Monate vor Beginn der Deportationen aus Wuppertal, schrieb der Rabbiner an seine jüngste in Tientsin in China lebende Tochter Hanna:
In Elberfeld fand ich reizende Aufnahme, ich wohnte bei Brüders in der Wortmannstraße und schlief im selben Hause im Gastzimmer der Frau Sanitätsrat Dr. Leven. Mittwoch Nachmittag, d. 14.4. kam ich in Elberfeld an. Donnerstag besuchte ich die Gräber von Mutter und Hans, die gut gepflegt sind, war dann in der Zietenstrasse in unserer früheren Wohnung, wo die kleine Schule untergebracht ist, und besuchte die im Hause lebende Frau Sußmann und ihre Mutter Frau Direktor Knoller. Nachmittags war ich im Gemeindebüro, im Altenheim, das jetzt sehr stark belegt ist, und bei Israels, Eva ist sehr groß geworden. Freitag machte ich einen kurzen Besuch bei Max Goldberg, der schon 74 Jahre alt ist und sich noch tüchtig in der Gemeinde betätigt. Nachmittags suchte mich Frau Rothschild (Barmen) auf, deren Kindern es draußen gut geht. Abends war der erste Gottesdienst mit Predigt, die Gottesdienste finden jetzt in der Luisenstraße statt. Der zweite Gottesdienst mit Predigt am Samstag Vormittag. […] Sonnabend Nachmittag war [ich] zum Kaffee bei Fischels in der Distelbeckstraße, auch Herr und Frau Marcus und Cläre Tisch, die in demselben Hause wohnen, waren eingeladen. Der dritte Gottesdienst war dann am Sonntag Vormittag, wieder Predigt. Da der Platz nicht ausreichte, waren Karten zu den Gottesdiensten ausgegeben. Jeder konnte nur an einem teil nehmen, im ganzen waren es 500 Zuhörer. Die Gemeinde zählt noch 780 Seelen. Ihr könnt Euch vorstellen, dass es eine große Strapaze für mich war. Die Teilnehmer kamen nach Schluss immer an mich heran, ich erkannte fast alle sogleich wieder. Sonntag Nachmittag war eine gemütliche Zusammenkunft mit Kaffee und Kuchen im Speisesaal des Altersheims mit geladenen Gästen, etwa 30 an der Zahl. Dorthin hatte ich auch Hilde Loew und Steffi Eppstein bestellt, mit denen ich nach der Veranstaltung eine halbe Stunde zusammensein konnte. […] Nach Dir, liebes Hannalein, haben sich in Elberfeld natürlich Unzählige erkundigt, es ist unmöglich, alle Grüße im Gedächtnis zu behalten, daher nennen ich nur R.A. Brück und Frau, R.A. Israel und Frau, Victor Fischel und Frau, sowie Hilde und Stefi und die alte, sehr rüstige Frau Kann. […]
Von allen ihren Mieterinnen und Mietern im Haus Wortmannstraße 38 überlebte allein – eine große Ausnahme! – Helene Wertheim, die nach Theresienstadt deportiert worden war.
Doch das hat Jenny Leven nicht mehr erfahren. Sie nahm sich am 14.1.1942 das Leben und wurde auf dem jüdischen Friedhof Feld K, Reihe VII bestattet. Ihre Nachbarin Auguste Fischel schrieb darüber am 20. Januar 1942 in einem Brief:
Gern, sehr gern empfangen wir die Grüße unserer lieben Freunde, und wir erwidern sie herzlich. Man freut sich über jedes Gedenken. […] Wenn doch nur dieser furchtbare Krieg ein Ende hätte! Frau Kann besuchten wir in der Gustavstraße vor einigen Wochen. Sie ist sehr mutig und nimmt das Leben, wie es ist. Leider war Frau Dr. Lewen anders eingestellt. Man hat sie gestern zur letzten Ruhe gebracht.
Jennys Tochter Käthe Nießen wurde am 22. Oktober 1941 von Köln aus zunächst in das Ghetto von Lodz deportiert und im Mai 1942 in der Vernichtungsstätte Chełmno ermordet. Ihre Tochter Gertrud, verh. Rothkopf und ihr Mann überlebten. Gertrud Rothkopf starb 1979 in Köln.
Bildnachweis
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal