Else Dahl, geb. Blumenthal
Else Blumenthal wurde am 25. Januar 1883 in Elberfeld geboren. Ihre Eltern, Philipp und Wilhelmine Blumenthal, geb. Kaufmann, hatten noch weitere Kinder: Adele, später verheiratete Orgler, Röse, verheiratete Kahn, Paula, verheiratete Meyerstein und Bruno. Ihr Vater, Philipp Blumenthal, war Mitbegründer der orthodoxen jüdischen Gemeinde „Adass Israel“ gewesen, die in der Elberfelder Luisenstraße 60a ihren Betraum hatte. Vermutlich ist Else mit ihren Geschwistern oft dort gewesen.
Else heiratete den Tabakhändler David Max Dahl. Die beiden Töchter Lore und Ilse kamen 1907 und 1908 und der Sohn Ernst Artur 1920 in Elberfeld zur Welt. Ernst Artur ist der einzige der Geschwister, der den Holocaust überlebt hat.
Der Vater, David Max Dahl, hatte den Tabak-Kiosk im Elberfelder Bahnhof gemietet und verkaufte dort Tabakwaren aller Art. Er starb im August 1939 und ist auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg in Wuppertal beerdigt.
Nach dem Tod ihres Mannes – die beiden Töchter waren verheiratet und der Sohn organisierte seine Emigration nach Kanada – zog Else Dahl nach Essen zu ihrer dort lebenden Tochter Lore und deren Ehemann Alfred. Ihre Schwester Adele Orgler, die mit ihrem Mann in Barmen in der Unteren Lichtenplatzer Straße 80 wohnte, hatte ihr in ihrem Haus ein Zimmer zur Verfügung gestellt, wo sie übernachten konnte, wenn sie in Wuppertal auf Besuch war. Dort bewahrte sie verschiedene Kleidungsstücke auf, die sie bereits für ihre geplante Emigration nach Kuba gekauft hatte.
Aus den Dokumenten, die sich in ihrer Gestapo-Akte befinden, geht nun hervor, dass sie im Dezember 1941 beschuldigt wurde, gegen die „Verbrauchsregelungsverordnung“ verstoßen zu haben, nach der alle lebenswichtigen Güter ausschließlich der deutschen Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Gestapo beschlagnahmte also ein an Else Dahl in Essen adressiertes Paket, in dem sich „1 Korsett, 8 Seidenschlüpfer, 1 Wollschlüpfer, 11 seidene Damenhemden, 5 seidenen Unterröcke, 6 seidene Nachthemden, 1 Paar Strümpfe“ befanden. Ihre ehemalige Hausangestellte, Erna Schweizer, hatte dieses Paket in ihrem Auftrag bei der Schwester Adele Orgler abgeholt und zur Post gebracht.
Die Angelegenheit zog sich bis ins Frühjahr 1942 hin, Else Dahl musste mithilfe von Quittungen beweisen, dass sie die Kleidung selbst und vor Beginn des Krieges gekauft hatte. Zusätzlich wurden Zeugen wie ihre Schwester Adele und Erna Schweizer befragt. Am 31. März 1942 schreibt die Gestapo-Stelle Wuppertal an die Gestapo in Essen: „Auf Grund der Angaben der hier vernommenen Zeugen dürfte ein Verstoß gegen die Verbrauchsregelungs-Verordnung nicht vorliegen. Trotzdem empfehle ich, die sichergestellten Wäschestücke usw. der Jüdin Dahl nicht auszuhändigen.“ Am Ende steht ein Schreiben vom 10. Juli 1942 von der Gestapo Düsseldorf an die Gestapo-Außendienststelle Essen. Darin heißt es: Die […] sichergestellten Pakete mit Wäschestücken und 1 Paar neuen Damenschuhen werden der Volksdeutschen Mittelstelle für Auslandsdeutsche aus dem Osten zur Verfügung gestellt. Die Dahl ist zu bescheiden, daß die Gegenstände beschlagnahmt und eingezogen sind, weil sie auf Grund des Erlasses über die Einziehung der im jüdischen Besitz befindlichen Kleider und Spinnstoffe […] den Bedarf einer bescheidenen Haushaltsführung übersteigen.
Die ganze Anstrengung und Aufregung hatte ihr also nichts genützt: Obwohl sie nicht gegen eine Verordnung verstoßen hatte, bekam sie ihr Eigentum nicht wieder zurück, weil sie Jüdin war.
Gemeinsam mit ihrer Tochter Lore und dem Schwiegersohn Alfred hatte sie noch 1942 den Plan, nach Kuba auszuwandern. Alle drei standen bereits auf der Liste vom 10. November 1941 für die Deportation nach Minsk. Dort wurden ihre Namen aber durchgestrichen. Am 22. Juli 1942 bescheinigt der Polizeipräsident in Essen Else Dahl, „daß Sie infolge Ihrer beabsichtigten Auswanderung nach Cuba aus besonderen Gründen von der Judenevakuierung zurückgestellt sind.“ Diese offenbar eigenmächtige Bescheinigung des Essener Polizeipräsidenten rief ein innerbehördliches Gerangel hervor, in dem die Gestapo-Stelle Düsseldorf die Geheimhaltung der Deportationen für gefährdet hielt. Mit dem Stempel „Geheim“ steht in einem Schreiben aus Düsseldorf an die Gestapo-Außenstelle Essen vom 14. Oktober 1942:
Ich bitte, insbesondere zu prüfen, weshalb der Jüdin Dahl eine derartige Bescheinigung seitens des Polizeipräsidenten in Essen ausgestellt wurde. Da die Familien Strauss und die Jüdin Dahl für Belange der Abwehrstellen des Oberkommandos der Wehrmacht im Auslande eingesetzt werden sollen, dürfte die Geheimhaltung dieser Maßnahme durch die Ausstellung derartiger Bescheinigungen gefährdet worden sein.
Da ich dem Reichssicherheitshauptamt zu berichten habe, wird um umgehende Erledigung ersucht.
Ihre Emigration glückte nicht mehr. Am 9. September 1943 wurde Else Dahl zusammen mit der Tochter Lore Strauss und dem Schwiegersohn Alfred, mit dessen Zwillingsbruder Siegfried, dessen Ehefrau Regina, deren Sohn Richard und Reginas Mutter Anna Rosenberg aus der Essener Ladenspelderstraße 47 nach Theresienstadt deportiert. Nach etwa einem Jahr brachte man sie zusammen mit ihrer Tochter am 9. Oktober 1944 nach Auschwitz, wo sie vermutlich bald nach ihrer Ankunft ermordet wurden. Lores Ehemann Alfred war schon ein paar Tage vorher nach Auschwitz transportiert worden und starb dort am 31. Dezember 1944.
Bildnachweis
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, auch Gestapo-Akte RW 58-21310; Gedenkbuch der Bundesrepublik Deutschland; Arolsen Archives (bes. Kartei aus Theresienstadt, Deportationslisten); Statistik des Holocaust (Deportationsliste)