Wilhelmine Kaufmann, geb. Franken
Wilhelmine Franken wurde am 23. Mai 1886 als ältestes von fünf Kindern der Eheleute Hermann Franken und seiner Frau Frieda (Fromma) in Bedburg geboren. Ihre Geschwister waren in der Reihenfolge ihrer Geburt Josef (1887), Albert (1889), Berta (1890) und Hedwig (1896). Wilhelmine war verheiratet mit Jakob Kaufmann, und 1907 kam in Lüttgendortmund (heute ein Stadtteil von Dortmund) die erste Tochter Lotte zur Welt. Mit großem Abstand wurde 1921 in Barmen die zweite Tochter geboren: Liesel.
Wilhelmine Kaufmanns Mann Jakob war Teilhaber der Firma Kaufmann & Cappel GmbH, eine Kurz- und Tapisseriewaren-Großhandlung mit Sitz in der Hofaue 63 in Elberfeld. Privat wohnte die Familie in der Distelbecker Straße 19 – so geht es aus dem Elberfelder Adressbuch aus dem Jahr 1925 hervor.
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten waren auch die Kaufmanns den herrschenden diskriminierenden Methoden zur Verdrängung und Vertreibung der Juden ausgesetzt. Boykott des eigenen Unternehmens, Trennung von nichtjüdischen Bekannten und Freunden, der Pogrom im November 1938. Jakob Kaufmann wurde festgenommen und vom 11. November bis 15. Dezember 1938 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert, was darauf schließen lässt, dass er sich während der Ausschreitungen nicht in Wuppertal befand, denn die gefangenen jüdischen Männer aus Wuppertal wurden in das Konzentrationslager Dachau überstellt.
Dem Pogrom folgte am 15. November 1938 das Verbot des Schulbesuchs, was Lotte, mit 31 Jahren längst erwachsen zwar nicht mehr betraf, Liesel, 17 Jahre alt, aber durchaus. Es ist nicht bekannt, ob sie ihr Abitur noch ablegen konnte. Sie wanderte im April 1939 über Rotterdam nach Australien aus, heiratete 1942 den Berliner Hans Kaufmann und bekam mit ihm die Kinder Lotte (nach ihrer Schwester). Ihre immerhin 14 Jahre ältere Schwester war seit 1934 mit dem Kölner Kurt Lilienfeld verheiratet und hatte mit ihm den Sohn Albert (später John). Auch Lilienfelds wanderten nach Australien aus und waren in Sicherheit. Nicht aber die Eltern.
Vermutlich 1939 mussten Wihelmine und Jakob Kaufmann in das Haus Gartenstraße 24 umziehen, das dem 1921 verstorbenen Josef Röttgen und dessen Frau Milli, geb. Salomon, gehörte. Milli Röttgen war rechtzeitig in die USA ausgewandert und starb 1943 in New York.
Im Haus Gartenstraße 24 lebten auch noch weitere Jüdinnen und Juden: die Eheleute Michael Max Neumann mit seiner Frau Meta, Karl Altgenug mit seiner Frau Rosa, Alfred Baum und schließlich Bertha Haas.
Am Montag, den 20. Juli 1942 sollten Wilhelmine Kaufmann und ihr Mann Jakob, zusammen mit den anderen sechs Bewohnerinnen und Bewohnern, das Haus Gartenstraße 24 mit ihrem Gepäck verlassen und sich zum Bahnhof Steinbeck begeben. Ihren Kindern schrieb sie am 10. Juli folgenden Abschiedsbrief:
W. Elberfeld, den 10. J. 42.
Meine lieben lieben Kinder!
Ob Euch der Brief jemals erreicht, weiß ich nicht, aber es ist mir Bedürfnis, mich mit Euch zu unterhalten. Jetzt sind die Würfel auch für uns gefallen, und anstatt zu Euch, wie wir es so gerne wollten, ziehen wir in das Ungewisse. Am 20. müssen wir aus unserm gemütlichen Heim und kommen nach Theresienstadt. Alles bleibt hier, auch die Betten, für den lieben Vater in seinem Alter schlimm. Wir sind aber sehr gefasst und hoffen zu Gott, dass er uns doch noch zu Euch führt und uns auch in der Verbannung in seinen besonderen Schutz nimmt. Sehen möchte ich Euch, liebe Kinder, und den Kleinen zu gern und Ihr werdet uns, wenn mit Gottes Hilfe wieder Ruhe ist, schon helfen, darauf vertrauen wir. Sollte es aber von Gott anders beschlossen sein, dann ist auch nichts zu ändern, dann wünsche ich nur, dass Ihr, meine Kinder, in unserem Sinne weiterlebt und uns nie vergessen wollt. – Den Brief gebe ich Maria, die sich mit Euch in Verbindung setzt und Euch auch noch vieles zu sagen hat.
Ich sende Euch meinen Segen, bleibt gesund, erzieht das Kind in Gottvertrauen. Werde Du, meine Liesel, so glücklich, wie ich es Dir von Herzen wünsche. Meine Sachen teilt, haltet sie in Ehren, der Ring von der lieben seligen Oma ist für Dich, liebe Lotte, Vaters Sachen gehören Dir, lieber Kurt, tragt sie mit und nur zu Freuden. Ich umarme Euch und küsse Euch innig, besonders den Kleinen. Wenn Ihr könnt, schreibt nach Palästina. In Liebe Eure Mutter
271 Personen aus Wuppertal, Remscheid, Solingen, Neviges, Velbert und Heiligenhaus mussten am Bahnhof Steinbeck einen Zug besteigen, der sie zunächst zum Güterbahnhof Düsseldorf-Derendorf brachte, wo sie eine Nacht verbringen mussten. Früh am nächsten Morgen wurden in einem Massentransport insgesamt über 1000 Jüdinnen und Juden aus dem gesamten Gestapo-Bezirk Düsseldorf in das Ghetto von Theresienstadt bei Prag deportiert. Danach gab es praktisch keine Jüdinnen und Juden mehr in Wuppertal, nur noch die wenigen, die mit einem nichtjüdischen Partner verheiratet waren oder einen nichtjüdischen Elternteil hatten.
Am 21. September 1942 wurden Wilhelmine Kaufmann und ihr Mann Jakob in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und sofort ermordet. Sie wurde 56 Jahre alt.
Bildnachweis
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
Quellen
Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung 623939; Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge: Deportationsliste Theresienstadt