Marta Knoller, geb. Levy
Über Marta Knoller ist nahezu nichts bekannt. Sie wurde am 30. Dezember 1879 im heute polnischen Krotoschin (Krotoszyn) geboren. Ihr Vater war Rabbiner unter anderem in Hannover, möglicherweise aber auch in Breslau gewesen. Dort wurde ihre Tochter Paula geboren, die später den aus Kattowitz stammenden Kantor und Religionslehrer Gustav Sussmann heiraten sollte.
Ob Marta Knoller noch weitere Kinder hatte, ist nicht bekannt, und auch über ihren Mann existieren keine Informationen.
Als Witwe lebte sie, vermutlich seit 1935, in Wuppertal bei ihrer Tochter Paula und deren Mann, dem Oberkantor und Religionslehrer der jüdischen Gemeinde Gustav Sussmann in der Stephanstraße 9 in der Elberfelder Südstadt. Diese Straße hatte zuvor „Zietenstraße“ geheißen und war erst durch die Nationalsozialisten im Jahr 1935 umbenannt worden.
Das Haus war Eigentum der jüdischen Gemeinde und ursprünglich als Wohnhaus des Rabbiners gedacht. Laut den Wuppertaler Adressbüchern bewohnte Rabbiner Dr. Joseph Norden es mit seiner Familie noch mindestens bis 1930, während Familie Sussmann in einem Haus in der Weststraße 8 ganz in der Nähe lebte. Vor 1933 scheint Rabbiner Norden, seit 1931 verwitwet, in das Haus in der Walther-Rathenau-Straße 46 zu Familie Tisch umgezogen zu sein, und Sussmanns übernahmen das Haus in der Zietenstraße.
Dort lebte Marta Knoller nun in einer Familie mit den vier Enkeln, dem 14-jährigen Gotthold, dem 13-jährigen Albrecht, dem 11-jährigen Ernst Nathan und der 10-jährigen Judith Lieselotte.
Es muss ein gewaltiger Schock für die ganze Familie gewesen sein, als sich Marta Knollers Schwiegersohn Gustav Sussmann am 5. Juli 1937 das Leben nahm. Renate Inow, heute London, die eine seiner Schülerinnen war, erinnert sich noch im hohen Alter an seine verständnisvolle und zugewandte Art den Kindern gegenüber und wie schockiert sie war, als sie von seinem Tod erfuhr.
Als der Schulbesuch für jüdische Kinder immer schwieriger wurde, zunächst wegen der alltäglichen Demütigungen und Schikanen, später wegen der Verbote, überhaupt eine Schule zu besuchen, richtete Marta Knollers Tochter Paula im Einvernehmen mit der jüdischen Gemeinde eine jüdische Privatschule in der Stephanstraße 9 ein, damit die jüdischen Kinder überhaupt noch unterrichtet werden konnten. Bis zum Sommer 1942, als der Schulbesuch für Juden grundsätzlich verboten wurde, war auf diese Weise wenigstens ein behelfsmäßger Unterricht der wenigen, noch nicht emigrierten Kinder möglich.
Zuletzt zog ins Haus noch die vierköpfige jüdische Familie Levy: die Eltern Gustav und Emma mit ihren fast erwachsenen Kindern Paul und Rita, die nahezu im selben Alter waren wie Marta Knollers Enkel. Ob diese Familie mit den Knollers verwandt war – Marta Knoller war ja eine geborene „Levy“, ist nicht sicher, aber gut möglich. Die jüdischen Familien rückten in dieser bedrohlichen Zeit ja zusammen.
Von ihren Enkeln war als einziger Judith Lieselotte die Auswanderung gelungen; sie entkam nach Palästina.
Am Montag, den 10. November 1941, mussten alle jüdischen Bewohner, insgesamt neun Personen, das Haus in der Stephanstraße 9 verlassen und sich mit ihrem Gepäck zum Bahnhof Wuppertal-Steinbeck begeben. Dort hatten sie einen Zug zu besteigen, der aus Düsseldorf kam und bereits mit fast 1000 Personen besetzt war. Nach fünf Tagen erreichte der Zug die Stadt Minsk. Niemand von den aus Wuppertal Deportierten – insgesamt 244 Menschen aus Wuppertal, Remscheid, Velbert und Hattingen – überlebte das Ghetto von Minsk oder die Erschießungen im Wald von Maly Trostinez.
Marta Knoller war 72 Jahre alt.
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge: Deportationsliste Minsk; Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung