Joseph Norden zu Beginn seiner Berufslaufbahn

Dr. Joseph Norden

  • Geburtsdatum: 17.06.1870
  • Geburtsort: Hamburg
  • Beruf: Rabbiner
  • Wohnort:

    Genügsamkeitstraße 7

  • Todesdatum: 07.02.1943
  • Todesort: Ghetto Theresienstadt

„Meine Lieben, ich weiß nicht, ob Ihr von anderer Seite schon wisst, dass unser geliebter Vater schon vor ca. eineinhalb Jahren in Theresienstadt verstorben ist. Trotzdem ich schon lange keine Hoffnung mehr hatte, hat mich diese Nachricht schwerst erschüttert.“ So begann Frieda Meinrath in Tel Aviv am 24. September 1944 einen Brief an ihre in Amerika lebenden Geschwister. Sie war die Tochter von Dr. Norden, der von 1907 bis 1935 Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Elberfeld war und als eine der menschlich und intellektuell herausragenden Gestalten der jüdischen Geschichte Wuppertals gelten muss.

Norden, 1870 in Hamburg in eine orthodoxe jüdische Familie geboren, erhielt seine erste religiöse Ausbildung auf der Talmud-Tora-Schule, die er neben dem regulären Schulunterricht in einem humanistischen Gymnasium besuchte. Er machte als Klassenbester das Abitur und studierte anschließend in Berlin. 1895 promovierte er und legte ein Jahr später das Rabbinerexamen ab.

Seine ersten Stellen versah Norden in Neustettin und in Myslowice, wo er mit seiner Frau Emilie und den in dichter Folge geborenen Kindern Bertha, Hans, Elfriede und Albert eine Familie gründete. Trotz seiner orthodoxen Herkunft wurde Norden zu einem wortmächtigen Begründer der Erneuerung des liberalen Judentums. Er schrieb zahlreiche programmatische Essays, die sich mit dem zeitgenössischen Zustand des Judentums zwischen erstarrter Gesetzesgläubigkeit und der Bedrohung durch religiöse Gleichgültigkeit befassten. Besonders interessierte ihn das jüdisch-christliche Verhältnis und die brennende Frage, wie eine so alte Religion wie das Judentum in einer galoppierenden Moderne am Leben erhalten werden könne. Wie könnte man den Gemeindemitgliedern in einer Kaufmannsstadt wie Elberfeld nahebringen, den Schabbat zu halten, am Samstag also nicht zu arbeiten, die Geschäfte nicht zu öffnen? Wie sollte man das Gebot „Du sollst nicht töten“ angesichts der Schrecken des Ersten Weltkriegs verstehen? In diesen und anderen Fragen stritt Norden sich mit den Kollegen und vermutlich auch mit Mitgliedern in seiner Elberfelder Gemeinde und entwickelte eine zunehmend selbstbewusste und pazifistische Haltung, schon lange, bevor sein Sohn Hans, schwer verwundet aus dem Krieg zurückgekehrt, im Jahr 1926 schließlich starb, was die Familie zutiefst erschütterte.

Zu ihrem 300. Jubiläum im Jahr 1910 bat man den Rabbiner, einen Artikel über die Geschichte der Elberfelder Gemeinde zu schreiben. Dass zum selben Anlass der Oberkantor der jüdischen Gemeinde, Hermann Zivi, mit der Komposition der Festhymne betraut wurde, zeigt die selbstverständliche Akzeptanz der Juden in der christlichen Mehrheitsgesellschaft ­– wenigstens in dieser Zeit.

Zwei der vielen Texte Joseph Nordens seien hervorgehoben: Die Publikation über die „Grundlagen und Ziele des religiös-liberalen Judentums“ aus dem Jahr 1918 ist eins der wichtigsten Programme dieser jüdischen Lebensauffassung. So wundert nicht, dass Norden 1931 einen Ruf zum liberalen Landesrabbiner aus den Niederlanden erhielt, was er allerdings ablehnte.

Seine Broschüre über den viel missbrauchten Bibelvers „Auge um Auge – Zahn um Zahn“ erschien 1926 im Philo-Verlag in Berlin. Dieser Verlag war vom „Centralverein der Juden in Deutschland“ gegründet worden und widmete sich der Veröffentlichung vor allem von Aufklärungsschriften über das Judentum und dem Kampf gegen den Antisemitismus.

1935 wurde der seit 1931 verwitwete Rabbiner Dr. Norden in Elberfeld würdig in den Ruhestand verabschiedet. Mit der jüngsten Tochter Hanna (geb. 1919) zog er in seine Heimatstadt Hamburg, und bald bat ihn die dortige jüdische Gemeinde, nun für sie als Rabbiner zu arbeiten.

In dieser für die Juden sich dauernd verschärfenden Lage lernte Joseph Norden die Berlinerin Regina Jonas kennen, die erste Rabbinerin der Welt. Norden und Jonas, sie halb so alt wie er, verliebten sich ineinander und begründeten eine lebendige Brieffreundschaft zwischen Berlin und Hamburg. Die beiden erörterten Fragen der praktischen Gemeindearbeit und Theologisches, schrieben sich aber auch Gedichte und machten Pläne für eine gemeinsame Zukunft. Die aber war den beiden Liebenden nicht vergönnt: Der Rabbiner wurde von Hamburg aus in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er am 7. Februar 1943 umkam. Regina Jonas wurde kurz nach dem 12. Oktober 1944 in Auschwitz ermordet.

In Elberfeld wurde im Stadtteil Ostersbaum im Jahr 2008 eine Treppe nach Rabbiner Dr. Joseph Norden benannt.

Bildnachweis


  • Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
  • Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
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Quellen


Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal; Publikationen Joseph Norden; Interview und Korrespondenz mit der Familie; Centrum Judaicum Berlin; Elisa Klapheck, Frankfurt a.M.