
Moritz Tyger
Moritz Tyger wurde am 27. Dezember 1893 in Teradow in Polen geboren. Über seine Eltern und Geschwister ist nichts bekannt. Verheiratet war Moritz Tyger mit der drei Jahre älteren Helena Weintraub, mit der er drei Kinder hatte, die zwischen 1919 und 1924 geboren wurden: Adolf, Wolfgang Samuel und Rose.
Die Familie Tyger lebte seit 1919 in Wuppertal in der Karlstraße 28 in einer 6-Zimmer-Wohnung. Moritz und Helena Tyger führten eine Maß- und Konfektionsnäherei. Die Geschäftsräume befanden sich zunächst in der Albrechtstraße, später auch in der Karlstraße. Der Betrieb beschäftigte zwischen einem und drei Gesellen, zwei bis drei Näherinnen und einen Bügler. Auch Helena Tyger und ihre Kinder halfen im Familienbetrieb als Handnäher aus. Das Geschäft war ein Zwischenmeisterbetrieb und arbeitete mit zwei bis drei anderen Schneidereien zusammen. Die Werkstatt war 30 bis 40 qm groß und hatte Platz für zwei bis drei elektrische Nähmaschinen und mehrere Arbeitstische. Bis 1938 liefen die Geschäfte sehr gut, sodass die Familie Tyger einen gutbürgerlichen Lebensstandard unterhalten konnte.
Moritz Tygers ältester Sohn Adolf, geboren 1919, konnte rechtzeitig nach Palästina auswandern, wo er seinen Namen anpasste und sich nun Jizchak Namery nannte. Später ging er in die USA.
Seine Tochter Rose, geboren 1924, konnte 1938 mit einem Kindertransport nach Belgien entkommen und emigrierte später ebenfalls in die USA.
Moritz selbst und sein 17-jähriger Sohn Wolfgang Samuel aber wurden, weil die Familie die polnische Staatsangehörigkeit hatte, am 28. Oktober 1938 im Rahmen der „Polenaktion“ nach Zbąszyń an die polnische Grenze abgeschoben. Vater und Sohn gingen von dort nach Warschau, wo es Moritz Tyger gelang, eine Aufenthaltsgenehmigung für das Deutsche Reich mit einer Gültigkeitsdauer von acht Wochen für sich zu besorgen. Allerdings nicht für seinen Sohn, den er zurücklassen musste, während er selbst am 27. Juni 1939 wieder nach Wuppertal zurückkehrte.
Es war klar, dass die Familie jetzt die Auflösung des Geschäfts und der Wohnung betreiben und die Auswanderung vorbereiten musste. Der Plan war, nach England oder nach Argentinien zu gehen. Dazu kam es aber nicht mehr. Am 12. September 1939 wurde Moritz Tyger von der Gestapo verhaftet und als „Schutzhäftling“ im Polizeigefängnis Wuppertal-Elberfeld eingesperrt. Am 21. Dezember 1939 kam er in das Konzentrationslager Sachsenhausen.
Währenddessen war der Sohn Wolfgang in Polen im April 1940 in das neu errichtete Ghetto von Łódź verbracht worden. Moritz‘ Frau Helena selbst war zunächst zu einer Bekannten in die Wielandstraße gezogen und dann in ein Zimmer im Haus Tannenbergstraße 12 eingewiesen worden, in das nach und nach immer weitere Jüdinnen und Juden einziehen mussten – mehr oder weniger freiwillig. Ihre Möbel hatte sie einer Spedition zur Lagerung gegeben, weil sie immer noch daran glaubte, auswandern zu können. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie nach wie vor als Näherin.
Am 3. September 1940 wurde Moritz Tyger in das Konzentrationslager Dachau verbracht, und dort starb er am 25. April 1941. Die Lagerverwaltung schickte eine Urne an Helena Tyger, in der sich angeblich seine Asche befinden sollte. Am 16. Mai 1941 wurde diese Urne auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg beigesetzt (Feld K, II). Auf dem Grabstein steht „in Memoriam Lena Tyger 1892-1941“. Dass die Angehörigen, die diesen Gedenkstein später setzten, die korrekten Daten nicht kannten, ist erklärbar.
Moritz Tyger wurde 48 Jahre alt.
Seine Frau wurde im Oktober in das Ghetto von Łódź deportiert und im August 1944 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.
Seinem Sohn Wolfgang aber war es gelungen, während eines Transports zur Arbeit außerhalb des Ghettos zu flüchten. Er versteckte sich und konnte bis zum Kriegsende im Untergrund überleben.
Bildnachweis
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, Foto: Matthias Wellmer
Quellen
Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung 611550, Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal: Deportationsliste Lodz, Anmeldebögen JKG; Jakobs, Hildegard: Im Ghetto Litzmannstadt (Lodz). 1.003 Biografien der am 27. Oktober 1941 aus Düsseldorf Deportierten, in Zusammenarbeit mit Angela Genger, Immo Schatzschneider und Markus Roos, hg. vom Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e.V., Essen 2011