Henriette Pesch, geb. Herz
Henriette Herz wurde am 28. April 1887 in Elberfeld geboren. Über ihren familiären Hintergrund ist nichts bekannt. Verheiratet war sie mit Wilhelm Pesch, der nicht jüdisch war.
In dem von Klaus Goebel herausgegeben Aufsatzband „über allem die Partei. Schule, Kunst, Musik in Wuppertal 1933-1945, führt der Autor Joachim Dorfmüller „Henriette Herz“ als eine der Wuppertaler Klavierlehrerinnen auf: Als Klavierpädagogen waren Anfang der 30er Jahre in Wuppertal Paul Marx (1884 in Elberfeld geboren), die auch gelegentlich konzertierende Lulu von der Wettern (1897 in Worms geboren), Anna Rabinowitsch (geboren 1900 in Elberfeld, verheiratete Gies), Mally Dreifus (ebenfalls 1900 in Elberfeld geboren, später geehelichte Kaun) und Henny Herz (geboren 1887 in Elberfeld, verheiratete Pesch) tätig.
Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, war Henriette Pesch 46 Jahre alt. Laut Adressbuch von 1934 wohnte in der Adolf-Hitler-Straße 134 eine „Witwe Wilhelm Pesch“, ohne Beruf. In dem Adressbuch von 1936 ist eine „Witwe Willi Pesch“, wiederum ohne Beruf, aufgeführt. Es scheint aber, dass Henriette Pesch sehr wohl, und zwar als Klavierlehrerin, berufstätig war, denn im nationalsozialistischen „Boykottheft“ von 1935 wird sie als „Gesang- und Klavierlehrerein“ mit der Adresse Alsenstraße 25a aufgeführt (S. 21).
Im Landesarchiv NRW existieren Akten, die einen Verdacht wegen „Rassenschande“ gegen den Kaufmann Karl Schäfer und die „Konzertsängerin“ Henriette Pesch, geb. Herz im Jahr 1938 dokumentieren. Möglicherweise hatte Henriette Pesch nach dem Tod ihres Mannes eine neue Liebesbeziehung eingehen wollen, die seit dem Erlass der „Nürnberger Gesetze“ 1935 aber unter Strafe stand, weil ihr Freund nicht jüdisch war. (Signaturen: 92/59; 4 Js 1032/38)
Zuletzt wohnte Henriette Pesch in der Klotzbahn 12, vermutlich nicht freiwillig. Von dort musste sie am Dienstag, den 21. April 1942, mit Gepäck und Proviant zum Bahnhof Wuppertal-Steinbeck kommen.
60 Jüdinnen und Juden aus Wuppertal, dazu je eine Person aus Remscheid, Neviges, Velbert und Hattingen mussten an diesem Frühlingsmorgen dorthin kommen und wurden zunächst nach Düsseldorf gebracht, wo sie auf dem Schlachthofgelände Derendorf übernachten mussten. Am nächsten Tag wurde ein Transport mit insgesamt 387 Männern und 664 Frauen zusammengestellt, der den Bahnhof Derendorf am 22. April 1942 um 11.06 Uhr verließ. Die Route führte über Erkrath, Hagen, Paderborn, Northeim, Nordhausen, Halle (Saale), Cottbus, Sagan, Lissa, Ostrowo, Widzew, Skarzysko Kamienna, Radom, Deblin und Lublin nach Izbica. Nach ihrer Ankunft im Ghetto schrieben manche der Verschleppten Postkarten nach Hause, die auch ihr Ziel erreichten. Sie beweisen, dass die Menschen noch etwa sechs Monate am Leben geblieben sind, ehe sie im Oktober 1942 zu einem Vernichtungslager im Distrikt Lublin – vermutlich nach Sobibór – transportiert und dort sofort ermordet wurden.
Henriette Pesch war 55 Jahre alt, als man sie deportierte.
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alter Synagoge: Deportationsliste Izbica | Gottwaldt, Alfred/ Schulle, Diana: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005