Zum Geleit

„Jetzt aber – so spricht der HERR, der dich erschaffen hat, Jakob, und der dich geformt hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir!“ (Jes 43,1) – die Verheißung des Propheten Jesaja, die an das Volk Israel ergeht, ist nicht nur groß; sie ergeht in eine Situation hinein, in der die Vernichtung Israels droht. Gott, der HERR, spricht seinem Volk die Verheißung zu, dass sein Name nie vergessen wird – der Name des Volkes, wie der jeder und jedes einzelnen.

Die Feinde Israels versuchen zu allen Zeiten, das Volk Israel auszulöschen. Die Nationalsozialisten haben die Auslöschung Israels perfide perfektioniert. Jüdinnen und Juden wurden nicht nur physisch vernichtet, getötet und verbrannt. Vorher schon hat man versucht, sie ihrer Identität zu berauben, ihnen ihre Geschichte und die Namen zu nehmen, an deren Stelle eintätowierte Zahlen traten.

Mittlerweile sind nur noch ganz wenige Überlebende des Holocaust da und können von dem berichten, was ihnen widerfuhr, nur weil sie Jüdinnen und Juden waren. Ihr Zeugnis ist lebendig. Was aber wird sein, wenn diese letzten Zeuginnen und Zeugen nicht mehr leben? Wie wird Erinnerung und Gedenken dann möglich sein?

Das digitale „Gedenkbuch für die jüdischen Opfer des Holocaust aus Wuppertal“ gibt denen, denen die Würde und das Menschsein von den Nationalsozialisten genommen werden sollte, ihren Namen und ihre Geschichte zurück. Gerade in einer Gegenwart, in der jüdisches Leben erneut auf vielfache Weise in Frage gestellt und bedroht wird, ja, in der Vernichtungsfantasien wieder in die Tat umgesetzt werden, wie der genozidale Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 zeigt, ist es umso notwendiger, den Menschen das Ansehen zu geben, das genommen werden sollte.

Die Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal erkennt den Auftrag, die Namen und Leben der Ermordeten aufzuschreiben und im Gedächtnis zu bewahren, ganz im Sinn des Propheten Jesaja, durch den der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs spricht: „Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände!“ (Jes 49,16).

Erinnern ist nicht bloß Gedenken. Erinnern heißt gerade auch Vergegenwärtigen oder, wie es Ruth Klüger formulierte, die als Jugendliche mit ihrer Mutter das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz überlebte, sagt: „Erinnerung ist keine badewasserlaue Angelegenheit, Erinnerung ist eine Zumutung, ist ein Graus.“ Dass dies in heutigen Zeiten eben auch digital geschieht, ist gut, weil damit auch die Angehörigen, Nachfahrinnen und Nachfahren Zugang zu diesem Gedächtnisort haben, die heute in aller Welt verstreut leben.

Der Trägerverein der Begegnungsstätte Alte Synagoge e.V. dankt allen, die zum Gelingen dieses Projektes beigetragen haben, das für die Aufgabe unserer Einrichtung von so zentraler Bedeutung ist.  Gedankt sei allen voran der Projektleiterin Christine Hartung, die engagiert und mit größter Sorgfalt dieses „Memorbuch“ zusammengestellt hat. Damit erfüllen wir eine Selbstverpflichtung im Sinn des jüdischen „Zachor“ – des Gedenkens, um den Ermordeten die Ehre zu erweisen, ihre Namen zu sagen und heute dafür einzutreten, dass keines Menschen Würde je wieder in Frage gestellt wird.

Dr. Werner Kleine
Vorsitzender des Trägervereins

Quellen