Stefanie Eppstein
Stefanie Eppstein wurde am 26. Juli 1891 in Gerbstedt im Südharz geboren. Über ihre Kindheit, Schulzeit ist nichts bekannt, aber wohl, dass sie eine Ausbildung zur Kauffrau machte. Vermutlich 1935 kam die unverheiratete Frau nach Elberfeld und bezog eine Wohnung in der Briller Straße 114. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie als Kontoristin.
Offensichtlich fand sie bald den Weg zur jüdischen Gemeinde und lernte so die Familie des Rabbiners Dr. Joseph Norden kennen, dessen Frau Emilie im Jahr 1931 gestorben war. Nachdem Norden 1935 in den Ruhestand getreten und nach vielen Jahrzehnten in seine Heimatstadt Hamburg zurückgezogen war, besuchte er noch einige Male Elberfeld. In einem seiner Briefe, in denen der seinen emigrierten Kindern von diesen Reisen berichtete, erwähnte er auch „Steffi Eppstein“:
In Elberfeld fand ich reizende Aufnahme, ich wohnte bei Brüders in der Wortmannstraße und schlief im selben Hause im Gastzimmer der Frau Sanitätsrat Dr. Leven. Mittwoch Nachmittag, d. 14.4. kam ich in Elberfeld an. Donnerstag besuchte ich die Gräber von Mutter und Hans, die gut gepflegt sind, war dann in der Zietenstrasse in unserer früheren Wohnung, wo die kleine Schule untergebracht ist, und besuchte die im Hause lebende Frau Sußmann und ihre Mutter Frau Direktor Knoller. Nachmittags war ich im Gemeindebüro, im Altenheim, das jetzt sehr stark belegt ist, und bei Israels, Eva ist sehr groß geworden. Freitag machte ich einen kurzen Besuch bei Max Goldberg, der schon 74 Jahre alt ist und sich noch tüchtig in der Gemeinde betätigt. Nachmittags suchte mich Frau Rothschild (Barmen) auf, deren Kindern es draußen gut geht. Abends war der erste Gottesdienst mit Predigt, die Gottesdienste finden jetzt in der Luisenstrasse statt. Der zweite Gottesdienst mit Predigt am Samstag Vormittag. […] Sonnabend Nachmittag war [ich] zum Kaffee bei Fischels in der Distelbeckstrasse, auch Herr und Frau Marcus und Cläre Tisch, die in demselben Hause wohnen, waren eingeladen. Der dritte Gottesdienst war dann am Sonntag Vormittag, wieder Predigt. Da der Platz nicht ausreichte, waren Karten zu den Gottesdiensten ausgegeben. Jeder konnte nur an einem teil nehmen, im ganzen waren es 500 Zuhörer. Die Gemeinde zählt noch 780 Seelen. Ihr könnt Euch vorstellen, daß es eine große Strapaze für mich war. Die Teilnehmer kamen nach Schluß immer an mich heran, ich erkannte fast alle sogleich wieder. Sonntag Nachmittag war eine gemütliche Zusammenkunft mit Kaffee und Kuchen im Speisesaal des Altersheims mit geladenen Gästen, etwa 30 an der Zahl. Dorthin hatte ich auch Hilde Loew und Steffi Eppstein bestellt, mit denen ich nach der Veranstaltung eine halbe Stunde zusammensein konnte. […] Nach Dir, liebes Hannalein, haben sich in Elberfeld natürlich Unzählige erkundigt, es ist unmöglich, alle Grüße im Gedächtnis zu behalten, daher nennen ich nur R.A. Brück und Frau, R.A. Israel und Frau, Victor Fischel und Frau, sowie Hilde und Steffi und die alte, sehr rüstige Frau Kann. […]
(Brief vom 25. Mai 1941)
Am Montag, den 10. November 1941, musste sich Stefanie Eppstein von allen ihren Bekannten verabschieden. Sie hatte den Befehl erhalten, sich am Bahnhof Steinbeck einzufinden, versehen mit ihrem Gepäck und Proviant. Mit über 250 weiteren Wuppertaler Juden und Jüdinnen wurde sie nun nach Minsk deportiert.
Das Ghetto in Minsk war von den deutschen Besatzern im Sommer 1941 auf zwei Quadratkilometern eingerichtet worden. Rund 75.000 jüdische Menschen lebten in Minsk, von denen die meisten ins Ghetto umziehen mussten. Im Herbst und Winter kamen dann noch sieben Deportationszüge mit rund 7000 Jüdinnen und Juden aus dem „Altreich“ hinzu. Die Lebensverhältnisse in den aus Stein oder Holz erbauten Häusern waren katastrophal.
Wer am Leben bleiben durfte, musste in ein besonderes Ghetto etwas abseits vom Hauptghetto ziehen, das in fünf Abteilungen entsprechend der Herkunft der Transporte eingeteilt war: Hamburg, Berlin, Bremen, Wien und eben Rheinland. Von diesen Ghettobewohnern starben die meisten durch Erschießungs- und auch Vergasungsaktionen (durch KFZ-Motorabgase) Ende Juli 1942, am 8. März 1943 und im Herbst 1943.
Die meisten der Opfer aber kamen gar nicht erst ins Ghetto, sondern wurden mit dem Zug direkt in das 12 km südöstlich von Minsk gelegene Maly Trostenez gebracht und dort ermordet, in der Regel bei Erschießungsaktionen. Das Schicksal der wenigen, die in ein Arbeitslager geschickt wurden, ist unbekannt.
Stefanie Eppstein war 50 Jahre alt, als sie deportiert wurde.
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge: Deportationsliste Minsk | Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung 423068