Adele Jacob, geb. Mayer
Adele Mayer wurde am 17. Dezember 1891 in Erpel geboren und erlernte den Beruf der Kauffrau. Gerade zwanzigjährig, heiratete sie den 15 Jahre älteren Albert Jacob, der in Elberfeld Teilhaber der Manufakturwarenhandlung Jacob Cappel war.
1922 wurde dem Ehepaar das erste Kind geboren, Kurt, und zwei Jahre später kamen die Zwillinge Hans und Werner zur Welt. Die Familie lebte in der ersten Etage im Haus Schlieperstraße 15, nah am Erholungsgebiet der Hardt gelegen, aber auch fußläufig zur Hofaue.
Die Kinder waren gerade zehn Jahre alt, als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen. Damit begannen die Repressalien: Boykott der Geschäfte jüdischer Eigentümer, die sogenannte „Arisierung“, Angabe der Vermögensverhältnisse, die Gewaltaktionen im November 1938. Von der Verhaftungsaktion jüdischer Männer im Zuge der „Reichskristallnacht“ blieb Albert Jacob verschont – vielleicht wegen seines Alters, denn er war schon 62 Jahre alt. Nachdem die Gesetze für jüdische Mieter geändert worden waren, mussten die Jacobs in eine Zwangsunterkunft, ein sogenanntes „Judenhaus“ in die Von-der-Tann-Straße 1 umziehen.
Den Eltern gelang es offensichtlich nicht, Plätze für ihre Söhne für einen „Kindertransport“ nach England zu bekommen, um den sich nun alle in Panik geratenen Eltern bemühten. Nur der älteste, Kurt, emigrierte im Mai 1939 nach England. Nachdem England Deutschland am 3. September 1939 als Reaktion auf den deutschen Überfall auf Polen zwei Tage zuvor den Krieg erklärt hatte, wurden alle Deutschen über 16 Jahre, die sich im Land befanden, interniert. Dazu gehörte also auch Kurt, der mittlerweile 17 Jahre alt war. Später, im Oktober 1983, berichtete er in einem Brief an Ulrich Föhse: „Ich habe Ihnen vielleicht nicht erzählt, dass ich bis 1942 auch interniert war und dann von England als Deutscher in Lager nach Canada verschickt wurde und deshalb meinen Eltern nicht helfen konnte, und denke ich auch, dass alle meine Briefe dort nicht angekommen sind.“
Erhalten sind aber vier Briefe, die Albert, seine Frau Adele und die Brüder an Kurt schickten. Sie geben Auskunft über die verzweifelten Bemühungen, auch ins Ausland zu kommen, sind aber zugleich ein Ausdruck des deprimierenden Abwartens und Nichtstuns. So schreibt Albert am 1. Mai 1941 an Kurt:
Mein lieber Kurt, nach fast einjährigem Warten erhielten wir gestern Deinen ersten Brief vom 21. März. Du kannst Dir denken, wie wir uns mit den wenigen Zeilen gefreut haben. Es ist schade, dass wir bisher von Dir nichts hörten […]. Nun ist ja die Hauptsache, dass wir Deine Adresse haben und wir Dir jetzt auch öfter schreiben können. […] Hans und Werner arbeiten in Barmen in einer Fabrik und macht ihnen die Arbeit viel Freude. Sie müssen jeden Morgen schon um 6 Uhr aufstehen und kommen erst um 7 Uhr abends zurück […] Nun zu unserer Ausreise: Die Vorbedingungen sind erfüllt und können wir sofort das Visum erhalten, wenn wir eine bezahlte Passage nachweisen können. Dieses war uns bisher noch nicht möglich, da unsere Bürgen in den USA uns die Reise nicht finanzieren wollen oder können. […] Wir haben uns nun mit dem hiesigen Hilfsverein zur Finanzierung der Reise mit unserem Geld in Verbindung gesetzt und erwarten in Kürze eine Entscheidung hierüber. Neues gibt es sonst nichts zu berichten. […] Mutter will ihre Zeilen auch beifügen und will ich schließen. Bleib weiter gesund, halte dich tapfer wie bisher und bis auf ein baldiges Wiedersehen empfange die herzlichsten Grüße, Dein Vater
Im Jahr 1941 war es nahezu aussichtslos geworden, noch aus Deutschland herauszukommen, weil die Deutsche Wehrmacht nun auch die westlichen Nachbarländer besetzt hatte und die Bereitschaft zur Aufnahme von jüdischen Flüchtlingen weltweit praktisch nicht vorhanden war. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 und dem einsetzenden Vernichtungskrieg gegen die jüdische Bevölkerung dort spitzte sich die Lage für die Juden im Deutschen Reich nochmals zu, und am 23. Oktober wurde die Ausreise für alle Juden in Deutschland und in den besetzten Gebieten verboten. Drei Tage später, am 26. Oktober 1941, fuhr der erste Transport mit jüdischen Familien aus Wuppertal und den Nachbarstädten über Düsseldorf in das Ghetto Łódź (200 Personen). Kurze Zeit später erhielten auch die Jacobs die Anordnung, sich für den Abtransport bereit zu halten. In einem letzten Brief, vermutlich vom 9. November 1941, verabschiedeten sie sich von ihrem Sohn:
Mein lieber Kurt! Wir teilen Dir nun mit, dass sich unsere Adresse ab morgen verändert. Wir fahren morgen mit allen Bekannten zusammen nach Polen. Bitte mache Dir um uns keinerlei Sorgen. Die Brüder sind groß und kräftig und sind uns eine große Stütze. Innige Küsse Deine Mutter
Mein lieber Kurt! Auch ich sende Dir meine besten Grüße, wir sind alle tapfer und kämpfen weiter unsere Ausreise zu betreiben, um bald bei Dir zu sein. Bleibe tapfer wie wir, siehe zu, Dir bald in USA eine Existenz zu begründen. Wir schreiben Dir sobald es geht […] Auf baldiges Wiedersehen mit herzlichen Grüßen und Küssen Dein Vater
Auch von uns beiden die herzlichsten Grüße. Wir wollen den Eltern eine Stütze sein. Viele Küsse und auf Wiedersehen, Dein Werner und Hans
Nach dem Krieg wurden Zeugen zu den Lebensverhältnissen der Jacobs befragt:
Aus der Vernehmung der Frau Güldenagel (Blatt 45) ist ersichtlich, dass diese bei einem Besuch des Verfolgten [gemeint ist Albert Jacob] kurz vor der Deportation über die Ärmlichkeit der Wohnung erschüttert war. Es kann angenommen werden, dass es ihm im Hinblick auf die von ihm betriebene Auswanderung gelungen war, seinen Hausrat noch zu veräußern.
Am nächsten Tag, den 10. November 1941, nahm ein Zug, aus Düsseldorf kommend, 266 Menschen auf, darunter 244 aus Wuppertal und darunter auch die vier Familienmitglieder Jacob.
Kurt Jacob resümiert in seinem Brief an Ulrich Föhse: „Meine Familie hatte ein Visa nach USA zu gehen, konnte aber die Fahrkarte nicht durch Verwandte in Amerika bekommen. Wegen ein paar Hundert Mark sind sie dann umgekommen.“
Adele Jacob wurde 50 Jahre.
Bildnachweis
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, UF 149; Stadtarchiv Wuppertal, Akten für Wiedergutmachung 429440, 246830/31, 246833, 429439