Rita und Izchok Gerszt. Foto auf einem Plakat zur Einweihung der Erinnerungstafel für das Ehepaar Gerszt, Juni 2008

Rita Esther Gerszt, geb. Deutscher

  • Geburtsdatum: 20.08.1898
  • Geburtsort: Radom
  • Beruf: Kauffrau
  • Wohnort:

    Hombüchel 15a, Reiterstraße 3

  • Todesdatum: 29.05.1942
  • Todesort: Tötungsanstalt Bernburg a.d. Saale

Rita Ester Gerszt wurde am 20. August 1898 in Radom in Russland geboren. Sie heiratete den drei Jahr jüngeren Schneider Izchok Gerszt. Dieser war in Polen im sozialistisch-jüdischen „Bund“ organisiert gewesen. 1920 wanderte das Ehepaar nach Deutschland aus, weil Izchok Gerszt sich dem Wehrdienst in Polen entziehen wollte. Dadurch wurden beide staatenlos.

In Deutschland arbeitete Rita Gerszts Mann zunächst in der Landwirtschaft, dann als Schneider. 1925 machte er ein selbstständiges Schneidergeschäft auf und arbeitete später er mit Leo Kirsch zusammen. Seit 1933 war er als Reisender bei der Firma Wollberg & Co. beschäftigt. Rita Gerszt betrieb in der Elberfelder Südstadt ein Wäschegeschäft. 1934 machte sich Izchok Gerszt zusammen mit seinem Partner Leo Kirsch selbstständig und betrieb eine Lohnschneiderei, zuerst in der Bergstraße 32 in Elberfeld, ein Jahr später in der Wilhelm-Ehrlich-Straße (heute Reiterstraße) 3, wo auch die Wohnung war. Im Februar 1936 schied Leo Kirsch als Teilhaber aus, sodass Izchok Gerszt Alleinunternehmer wurde.

Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 waren Rita Gerszt und ihr Mann Mitglieder der KPD und des „Jüdischen Arbeiter- und Kulturvereins“ an der Klotzbahn in Elberfeld. Hier traf sich der Teil der jüdischen, vor allem der ostjüdischen Gemeinschaft, der sich der organisierten Arbeiterbewegung zugehörig fühlte.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme trieb Rita Gerszt zusammen mit ihrem Mann die nun für illegal erklärte Arbeiterbewegung weiter voran, indem sie Geldsammlungen organisierten, um die Arbeit und die Treffen der Arbeiter zu finanzieren. Wohl deshalb wurden beide am 1. Juli 1936 im Zuge der sogenannten Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse verhaftet. Ihre Tochter Stephanie war zu diesem Zeitpunkt gerade fünf Monate alt. Rita Gerszt saß sechs Wochen in Haft. Nach ihrer Entlassung wohnte sie mit ihrem Kind in der ersten Etage des Hauses Hombüchel 15a. Ihr Mann war zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in den Zuchthäusern Herford und Siegburg absaß.

Zum 30. Juni 1939 erhielt Rita Gerszt als polnische Staatsangehörige ihren Ausweisungsbefehl aus dem Deutschen Reich, wie schon mehrere zehntausend polnische Juden vor ihr. Die Not, in die sie, deren Mann immer noch im Gefängnis saß, dadurch geriet, verdeutlicht ein Schreiben, das sie am gleichen Tag an den Generalstaatsanwalt in Hamm schickte:

„Ich habe zum 30.6.1939 meine Ausweisung aus dem deutschen Staatsgebiet erhalten und richte deshalb die flehentliche Bitte an Sie, meinem Mann den letzten Rest seiner Strafe zu erlassen, damit wir zusammen auswandern können und mein Kind den Vater wieder hat. Ich befinde mich in einer ganz verzweifelten Lage, und ich weiß nicht, wohin ich mich mit meinem 3jährigen Kindchen ohne meinen Mann wenden könnte. Stattdessen besteht bei einer Freilassung meines Mannes die Möglichkeit, von seinen Verwandten in den USA die Bürgschaft zur Einreise nach dort zu erhalten. Hierzu liegt auch beim Amerikanischen Konsulat unter Nr. 3153 der polnische Quote die Registrierung vor.“

Das Gnadengesuch wurde mit Verweis auf die jüdische Identität und die durch die polnische Regierung 1938 aberkannte Staatsangehörigkeit Izchok Gerszts abgelehnt. Er verbüßte seine Zuchthausstrafe voll und ganz bis zum 28.6.1940. Auch Rita wurde 1939 für noch einmal vier Wochen in Haft genommen.

Nach ihrer Freilassung flüchtete sie mit ihrer Tochter aus Deutschland. Mit Hilfe eines Ortskundigen überquerten sie mitten in der Nacht zu Fuß die Grenze zu den Niederlanden. Hier hielten sie sich für längere Zeit auf, bevor es mit dem Zug weiter nach Brüssel ging. In der belgischen Hauptstadt wohnte Ritas Schwester Helen mit ihrer Familie. Sofort nachdem die Deutsche Wehrmacht Belgien am 10. Mai 1940 besetzt hatte, wurde auch hier die jüdische Bevölkerung kontrolliert und verfolgt. Deshalb organisierte Rita Gerszt ein Versteck für sich und Stefanie. Doch gerade als sie sich von ihren Freunden und Verwandten verabschieden wollte, schlug die Gestapo zu. Ihre Tochter konnte entkommen, weil das kleine Kind im Trubel der Razzia aus der Wohnung lief. Sie fand den Weg zur Wohnung ihrer Tante Helen, die sich mit ihr an die jüdische Hilfsorganisation „Comité de Défense des Juifs“ wandte. Dieser gelang es, Stefanie unter falschem Namen bis zur Befreiung Belgiens im Waisenhaus „Orphelinat Nationaliste“ in Forest zu verstecken.

Ihre Mutter allerdings wurde von der Gestapo verhaftet und zurück nach Deutschland gebracht. Das Sondergericht Düsseldorf verurteilte sie wegen Heimtücke und Devisenvergehens zu vier Monaten Gefängnis. Diese Strafe verbüßte sie im Gefängnis Wuppertal-Bendahl und danach im Gefängnis Düsseldorf-Derendorf. Anschließend wurde sie ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert, wo sie nach den Angaben einer amtlichen Quelle am 30. Juni 1942 gestorben sein soll.

Im Gedenkbuch für die Opfer von Ravensbrück heißt es dagegen, dass sie von Ravensbrück in die Tötungsanstalt Bernburg verbracht und dort am 29. Mai 1942 durch Kohlenmonoxyd ermordet worden sei. Sie wurde 44 Jahre.

Rita Gerszt gehört zu den ca. 1.600 Ravensbrücker Häftlingen, die im Rahmen des systematischen Mordprogramms der Aktion „14 f 13“ mit Kohlenmonoxid vergast und verbrannt wurden. Von den etwa 14.000 Menschen, die in Bernburg ermordet wurden, konnten 1947 nur 80 Urnen aufgefunden werden, die aber keinen Namen, sondern nur eine Nummer trugen. Auch für Rita Gerszt gibt es keine Grabstätte.

Seit dem 25.10.2008 gibt es vor dem Haus Nr. 3 in der Reiterstraße einen „Stolperstein“ für Rita Gerszt.

Bildnachweis


  • Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal