Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Wuppertal
Seit der Eröffnung der Begegnungsstätte Alte Synagoge im April 1994 hat die Stadt Wuppertal einen festen Ort, an dem die Geschichte ihrer jüdischen Bevölkerung erforscht und vermittelt wird. Nach über 30 Jahren kann das Haus nun eine beeindruckende Fülle von Daten präsentieren, die sich aus verschiedenen Quellen ergeben: Berichte, Briefe, Tagebücher, Dokumente und Fotografien. Dabei handelt es sich vor allem um Lebenszeugnisse, die die überlebenden jüdischen Wuppertalerinnen und Wuppertaler, ihre Kinder und Enkelkinder der Begegnungsstätte Alte Synagoge vertrauensvoll übereignet haben. Dieses große Archiv hat es ermöglicht, auch die Lebensdaten und die Lebenswege derjenigen aufzuschreiben, die im Holocaust ermordet worden sind. Künftig sind diese Daten und Geschichten weltweit auch im Internet zugänglich.
Das Internet-Gedenkbuch führt einmal mehr vor Augen, wie der antisemitische Zugriff der Nationalsozialisten die Menschen aus ihrem Alltag und aus ihrer sozialen Gemeinschaft mit den Familien, Nachbarn und Freunden gerissen hat. Die Darstellung der Lebenswege, so knapp sie wegen fehlender Quellen zuweilen ausfällt, macht anschaulich, was der Holocaust in seinem Kern bedeutete und seine Präzedenzlosigkeit ausmacht: dass jüdische Familien, dass Frauen und Männer, Mädchen und Jungen, Kleinkinder und Greise, Behinderte und Gesunde, Handwerker und Akademiker, Kaufleute und Künstler aus ihren Wohnungen, von ihrer Arbeitsstelle, aus Wuppertal, aus Deutschland und Europa vertrieben wurden – nur, weil sie Juden waren. Dass sie verfolgt, festgenommen, zusammengetrieben und verschleppt, zu Massenerschießungen geführt oder in Ghettos und Vernichtungslager deportiert und ermordet wurden – nur, weil sie Juden waren.
Sie hatten Freunde in der Schule, Kollegen bei der Arbeit, Nachbarn in Straße und Haus, sie hatten Verwandte in der Stadt und anderswo, und sie waren Mitglieder in Vereinen, in den Synagogen und zuweilen sogar auch in den Kirchen. Doch das alles schützte nicht vor ihrer Verfolgung und Ermordung. Am Ende standen Jüdinnen und Juden allein, und das muss auf immer beschämen.
Es entspricht dem Leitbild der Begegnungsstätte Alte Synagoge, dass nun die Ergebnisse einer jahrzehntelangen, geduldigen und oft mühsamen Recherchearbeit Auskunft über die Holocaust-Opfer unserer Stadt zur Verfügung stehen. Ich danke dem Trägerverein Begegnungsstätte Alte Synagoge, dass er sich der Herausforderung gestellt hat, ein solches anspruchsvolles Projekt wie das Internetgedenkbuch zu verantworten. Ich danke der Leiterin der Begegnungsstätte, Dr. Ulrike Schrader, und ihrem Team für die akribische Recherche und die Bereitschaft, sich alltäglich und immer aufs Neue mit dem zutiefst traurigen Faktum des Holocaust zu konfrontieren. Vor allem der Projektleiterin, Frau Christine Hartung, sei hier eigens gedankt.
Gewidmet ist das Internetgedenkbuch den Jüdinnen und Juden aus Wuppertal, die im Holocaust ermordet worden sind, aber auch jenen, die durch ihre rechtzeitige Emigration sich haben retten können. Gewidmet ist es gleichfalls ihren Nachfahren, die heute in der ganzen Welt verstreut leben. Ich danke ihnen für das Vertrauen, das viele von ihnen uns schenken, und für die vielen guten und ermutigenden Begegnungen, die sich daraus entwickelt haben.
Uwe Schneidewind
Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal