Passfoto von Sally Goldmann

Sally Goldmann

  • Geburtsdatum: 17.05.1890
  • Geburtsort: Hameln
  • Beruf: Kaufmann, Fabrikant
  • Wohnort:

    Heckinghauser Straße 131a, Turnstraße 20, Neuer Weg 21, Adolf-Hitler-Straße 567 (heute Friedrich-Engels-Allee zwischen Engelsstraße und Zur Dörner Brücke)

  • Todesdatum: 03.02.1945
  • Todesort: Konzentrationslager Bergen-Belsen

Sally Goldmann wurde am 17. Mai 1890 in Hameln an der Weser geboren. Nach seiner Schulzeit erlernte er den Beruf des Kaufmanns, und als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach diente er als Soldat an der Front.

1919 gründete Sally Goldmann die „Phoebus GmbH“ für Schuhbedarf und sicherte sich durch dieses gut laufende Unternehmen eine gute, dauernde Existenz. Die Haupterzeugnisse der Firma waren sämtliche Schuhbedarfsartikel, Schuhbänder, Leisten, Schuhschmuck usw. Diese Artikel verkaufte die Firma nicht nur im Einzel-, sondern auch im Großhandel.

Am 28. Juli 1920 heiratete Sally Goldmann in Magdeburg die vier Jahre jüngere Herta Rosener und zog mit ihr nach Wuppertal. Man wohnte zunächst in der Heckinghauser Straße 131a, dann in der Adolf-Hitler-Straße 567 (heute Friedrich-Engels-Allee) und schließlich in die Turnstraße 20, noch heute eine „bessere“ Wohngegend. Am 19. Januar 1924 kam das erste und einzige Kind zur Welt: Eva.

Die Familie gehörte der Synagogengemeinde Barmen an. Sally war Mitglied in der Bergischen Loge des Unabhängigen Ordens Bne Briss und sicherlich auch im Centralverein der Juden in Deutschland. Man besuchte die Synagoge und Eva sang im Chor.

Im Zuge der so genannten „Reichskristallnacht“ am 10. November 1938 wurde Sally Goldmann wie viele jüdische Männer verhaftet und vom 17. November bis zum 1. Dezember im Konzentrationslager Dachau inhaftiert; seine Nummer dort war 29591. Seine Tochter Eva erinnerte sich später:

Ich wollte sagen, dass ich am Tag der Kristallnacht in der Schule war. Wir waren Turnen. Die Kinder sagten mir, dass die Fenster in den Geschäften zerschlagen seien und dass die Synagoge in Flammen stände. Ich war so erschrocken! Ich bin dann zur Synagoge gelaufen, um es mir anzuschauen. Als ich nach Hause kam, war meine Mutter ganz verrückt. Da wurden ja alle Männer verhaftet. Meine Mutter sagte, dass Vati nicht da gewesen wäre. Sie wiederholte das mehrmals. Ich glaube, dass die Polizei zuerst nach Hause gekommen ist, um ihn zu verhaften und dann fragte, ob er im Büro sei. Meine Mutter wollte erst nicht anrufen, aber tat es dann doch. Er ist sofort weggefahren. Er fuhr zu Verwandten nach Hagen. Die hatte man gerade abgeholt. Dann ist er nach Köln gefahren. Meine Eltern konnten dann doch sprechen. Er hat sich bei der Polizei gemeldet, weil er Angst hatte, dass er erschossen würde, wenn man ihn entdeckt. Wir sind dann alle zum Polizeiamt gegangen und sollten auch dortbleiben. Am nächsten Morgen sind wir entlassen worden. Und mein Vater ist nach Dachau gekommen. Meine Mutter versuchte ihn raus zu bekommen. Die Geschäfte sollten ja von Ariern übernommen werden. Man ließ ihn raus, um die Kaufverträge zu unterschreiben. Meine Mutter hat, glaube ich, einen Beamten bezahlt, damit es alles schneller ging. Er ist nachher aufgeflogen. Das hat meine Mutter alles schnell abgewickelt, damit mein Vater aus dem KZ kommt. Wir haben oft daran gedacht, auszuwandern. Mein Vater hatte versucht, auf ein Boot nach Kuba kommen. Aber das klappte nicht. Schließlich hat uns mein Onkel ein Affidavit für Amerika gegeben.

 

Die Tochter Eva wurde nun auf Drängen des Kinderarztes Dr. Alfred Heimann schon im Juni 1939 mit einem der Kindertransporte nach England geschickt. Die Eltern flüchteten erst am 11. Mai 1940 nach Amsterdam, da sie von dort aus am nächsten Tag weiter nach Amerika ausreisen wollten. Da Deutschland aber in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai Holland überfiel und die Goldmanns die strengen Anordnungen der Besatzer strikt befolgten, versuchten sie nicht mehr zu fliehen. Sie blieben gezwungenermaßen in Holland und wohnten in der Amsterdamer Hunzestraat 41.

 

Am 30. Juni 1940 schrieb Sally Goldmann:

Ich bin am 8. Mai d.J. nach Holland gefahren, um am 11. Mai mit dem Schiff Veendam der Holland American Linie nach Amerika auszuwandern. Durch die eingetretenen Ereignisse konnte das Schiff nicht ausfahren. Mein Gepäck wurde als Passagiergut nach Rotterdam gesandt und haben wir persönlich nur einen kleinen Handkoffer mit Nachtsachen mitgenommen, ferner die uns bewilligten 10,- RM pro Person. Unser Gepäck ist laut Schreiben von der Reichsbahndirektion Rotterdam restlos verbrannt. Um unseren Lebensunterhalt bestreiten zu können, werden wir von dem Comitee Amsterdam unterstützt.

Mehrmals wandte er sich an seine Bank und an die Oberfinanzdirektion in Düsseldorf mit der Bitte um Geldüberweisungen von seinem Konto für meinen Lebensunterhalt sowie für Neuanschaffung der notwendigsten Kleidung und Wäsche bis zu einer Weiterwanderung.

 

Aus den erhaltenen Korrespondenzen geht hervor, dass diese Bitten erfolglos waren und dass obendrein das in Wuppertal bei der Speditionsfirma Reddehase, Wuppertal-Barmen eingelagerte Eigentum öffentlich versteigert wurde. Seit dem 20. Dezember 1940 war sein sämtliches Vermögen „staatspolizeilich sichergestellt“. Und im Mai 1941 wurde Sally Goldmann, seiner Frau und seiner Tochter durch das Reichssicherheitshauptamt Berlin die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt und sein Vermögen sowie „das der Ehefrau und des Kindes“ (!) beschlagnahmt.“

Am 26. November 1942 wurde Sally Goldmann zusammen mit seiner Frau Herta zunächst in das Konzentrationslager Westerbork verbracht, am 11. Januar 1944 in das Konzentrationslager Bergen-Belsen bei Celle. Sally Goldmann starb dort völlig entkräftet am 3. Februar 1945, seine Frau nur wenige Wochen später, am 12. März – kurz bevor das Lager von den Briten befreit wurde.

Sally Goldmann wurde 54 Jahre alt.

 

Nach dem Krieg schrieb eine Jugendfreundin von Herta Goldmann an die nun verwaiste Tochter Eva:

Ich war schon in Westerbork mit Ihren Eltern zusammen. Da ging es ihnen recht gut. Sie waren noch die ganze Zeit Krankenschwester und Pfleger und haben dadurch viele Monate in einem sogenannten Häuschen gewohnt, d.h. sie hatten noch ein Zimmer mit zwei anderen Ehepaaren und Küche. Ein Riesenvorzug gegen uns armen Bewohnern der großen Baracken. Am 15. Januar sind sie dann nach Bergen-Belsen gekommen. Das war damals noch nicht Internierungslager und war eine besondere Vergünstigung. Ihre Eltern waren nämlich für den Austausch bestimmt, weil Sie minderjährig waren und in England lebten. Ihre Mutter war zuerst wieder Krankenschwester, wurde aber in die Schuhe strafversetzt, weil sie sich geweigert hatte, einen schweren Ansteckungsfall zu pflegen und sich für mehrere Monate vollkommen isolieren zu lassen. Sie wollte das im Hinblick auf Ihren Vater nicht tun. Ihr Vater hat von Anfang an in den Schuhen gearbeitet (d.h. es mussten alte Schuhe zertrennt werden (eine ekelhafte Arbeit, schmutzig und durch den Staub gesundheitsschädlich). Später ist es ihm gelungen, wieder Pfleger zu werden und war in der eigenen Baracke. Ihm hat sein Magen zu schaffen gemacht. Er vertrug die Kohlrüben nicht […]. Beide haben sehr an Durchfall gelitten wie die meisten von uns, und das war eigentlich auch ihre Todesursache. Durch das schlechte und völlig unzureichende Essen und die Darmgeschichten entstanden die schweren Hungerödeme, die meist zum Tode führten. Ihre Mutter hatte es sehr schlimm, sie hat […] zum Schluss gar nicht mehr essen können […]. Ihr Vater war völlig erschöpft. Er ist, als er Ihre Mutter im Krankenhaus besuchte, ohnmächtig geworden, und ihrer Überredungskunst ist es gelungen, dass man ihn dortbehielt. Er ist nach ein paar Tagen ganz ruhig eingeschlafen, was für Ihre Mutter natürlich ein furchtbarer Schlag war und bestimmt zur Verschlimmerung ihres Zustands beigetragen hat.

Bildnachweis


  • Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal

Quellen


Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal; Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung 250205, 250204, 600020, 250756, 600069; Interview Eva Wolfsohn