
Edith Kurek
Edith Kurek wurde am 14. August 1923 als Tochter des Schneiders Isaak Jakob Kurek und seiner 1922 vom christlichen zum jüdischen Glauben übergetretenen Frau, der Näherin Anna, geb. Pohl, in Elberfeld geboren. Als Edith zehn Jahre alt war, übernahmen die Nationalsozialisten die Macht, und damit begann für sie als Tochter eines Juden die Diskriminierung. Durch ihre christliche Mutter schien sie aber zunächst besser geschützt als Kinder, die zwei jüdische Elternteile hatten.
Gefährlich wurde es für polnische Juden im Jahr 1938, als nämlich der polnische Staat beschloss, seinen im Deutschen Reich lebenden Bürgern die Staatsangehörigkeit zu entziehen, sollten sie seit mehr als fünf Jahren nicht mehr in Polen leben. Um das zu verhindern, schob die deutsche Regierung rund 17.000 polnische Jüdinnen und Juden am 28. Oktober 1938 über die polnische Grenze ab. Von dieser Aktion war auch Isaak Kurek betroffen – er war im polnischen Zdunska Wola geboren worden. Er kehrte jedoch nach Wuppertal zurück, musste allerdings seine Schneiderei schließen, so dass sich die Lebensverhältnisse der Familie zunehmend beschränkten. Edith, nun 16 Jahre alt, fand eine Arbeit als Betreuerin im jüdischen Altersheim in der „Straße der SA“ 73 (heute Friedrich-Ebert-Straße).
1939 wurde Ediths Vater in Schutzhaft genommen und sollte nie mehr freikommen. Die beiden Frauen lebten zunächst allein in ihrer Wohnung in der Marienstraße 53. Später zogen sie um in das zu einem „Judenhaus“ erklärten Haus der Familie Inow, Brillerstraße 34. Das Ehepaar Inow und der Bruder Gustav Inow wurden im Oktober 1941 nach Łódź deportiert. Auch Edith Verlobter, David Grünberg, wurde mit diesem Transport deportiert und später ermordet.
Nachdem im Winter keine weiteren Deportationen von Juden aus Wuppertal stattgefunden hatten, erhielten die Kureks im April 1942 dann doch Post von der von der Gestapo kontrollierten Gemeindeleitung: Edith sollte sich am 21. April 1942 am Bahnhof Steinbeck einfinden, um „zum „Arbeitseinsatz in den Osten“ verbracht zu werden.
Denselben Brief hatten auch die Mütter Olga Kesting, Käthe Lewin und Änne Baum bekommen: Ihre Kinder Michael, Jutta und Irmgard sollten, wie Edith, als Kinder jüdischer Väter auf diesen Transport kommen.
Die vier Frauen taten sich zusammen und protestierten in Telegrammen gegen dieses Vorhaben. Erhalten ist ein Vermerk der Gestapo Düsseldorf über diesen seltenen Fall klaren Protests:
Düsseldorf, den 21. April 1942
Vermerk:
SS-Obersturmführer Hasmann vom Judenreferat des Reichssicherheitshauptamts rief telefonisch an und teilte mit, daß beim Innenministerium eine Reihe von Protesttelegrammen eingegangen seinen, und zwar von
1. Frau Ferdinand Kesting, Wuppertal, Recklinghauserstr. 56
2. Frau Emma [richtig: Anna] Kurek, Wuppertal, Brillerstr. 34
3. Käthe Lewin und Frau Änne Baum, Wuppertal, Straße der SA 85.
Die Vorgenannten protestieren gegen die Evakuierung ihrer Kinder. Auf Anordnung des RSHA ist sofort zu überprüfen, ob die Evakuierung auf Grund der vornenannten Richtlinien durchgeführt werden konnte. Weiter ist den Betreffenden unter Androhung staatspolizeilicher Maßnahmen in entsprechender Form zu verbieten, weitere Schritte zu unternehmen. Es müsse unter allen Umständen vermieden werden, daß die betreffenden Personen noch weitere Stellen mit Protestschreiben angehen.
Dem RSHA ist in den nächsten Tagen durch FS – Hasmann bemerkte ausdrücklich, daß es nicht eile, Bericht zu erstatten.
Staatspolizeileitstelle […]
Am 5. Mai erhielt das Reichssicherheitshautamt in Berlin folgende Nachricht:
Düsseldorf, den 5. Mai 1942
1.) Fernschreiben
An das Reichssicherheitshauptamt
Betrifft: Evakuierung von Juden nach Izbica.
Vorgang: fernmündliche Weisung vom 21.4.1942 von SS-O-Stuf. Hasmann– Referat IV B 4-.
Die am 22.4.1942 nach Izbica evakuierten jüdischen Mischlinge:
a) Kesting, Michaelis Israel, geb. am 23.11.1921 in Alytis/ Litauen,
b) Kurek, Edith Sara, geb. am 14.8.1923 in Elberfeld,
c) Lewin, Jutta Sara, geb. am 19.12.1918 in Elberfeld,
d) Baum, Irmgard Sara, geb. am 22.44.1919 in Barmen,
gelten nach § 5, Absatz 2, der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz als Juden. Ihre Namhaftmachung erfolgte nach den im Evakuierungserlaß festgesetzten Richtlinien.
Sämtliche Angehörigen der vorstehend aufgeführten Personen wurden am 21.4.1942 unter Androhung staatspolizeilicher Maßnahmen beschieden, weitere Protestschreiben bezgl. der Evakuierung ihrer Kinder zu unterlassen […].
Der Protest hatte keinen Erfolg. Edith wurde, wie die drei anderen jungen Leute, nach Izbica deportiert. Sie kehrte nicht wieder zurück. Ob sie bereits im Ghetto des kleinen Städtchens Izbica umkam oder im nahegelegenen Vernichtungslager Sobibór ermordet wurde, lässt sich nicht mehr feststellen.
Wann Ediths Mutter Anna erfahren hat, dass auch ihr Mann Isaak ermordet worden war, und zwar am 9. Mai 1943 im Konzentrationslager Auschwitz, ist nicht bekannt.
Anna Kurek lebte noch mehrere Jahrzehnte in Wuppertal und starb am 27. Juli 1981, 84 Jahre alt. Ihr Grabstein auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg trägt auch eine Gedenkinschrift, die an ihre beiden Liebsten, Isaak und Edith, erinnert.

Bildnachweis
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, Foto: Matthias Wellmer
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
Quellen
Stadtarchiv Wuppertal, Akten für Wiedergutmachung 246254, 11669, 246253; Landesarchiv NRW, Akten der Gestapo