Dorothea Potasnik, geb. Hes
Dorothea Hes wurde am 4. April 1905 in Köln-Merheim als uneheliches Kind von Katharina Hes geboren. Über ihre Kindheit, Schulzeit und Ausbildung ist nichts bekannt.
Sie heiratete vermutlich Ende der 1920er Jahre den Schneidermeister Moses Potasnik aus Zduńska Wola in Polen, der vor 1928 offensichtlich noch unter dem assimilierten Namen „Martin“ Potasnik mit der Adresse Südstraße 2c einen Schneidereibetrieb eröffnete. Zwei Jahr später besaß Moses Potasnik einen Schneidereibetrieb in der Hofaue 78 und in der Brunnenstraße 19a in der Elberfelder Nordstadt. Im selben Jahr, am 18. Mai 1930, brachte Dorothea Potasnik den gemeinsamen Sohn Manfred Josef zur Welt. Weitere Kinder scheint das Ehepaar nicht bekommen zu haben.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten gerieten auch die Potasniks unter Druck. Ihre Maßschneiderei wurde boykottiert und im antijüdischen „Boykottheft der NSDAP mit dem Namen „Potasnick“ und der Adresse Grünstraße 37 verzeichnet (S. 21).
Ob die Familie von der so genannten „Polenaktion“ am 28. Oktober 1938, also von der Abschiebung jüdischer Bürger polnischer Staatsangehörigkeit an die deutsch-polnische Grenze betroffen war, ist nicht belegt. Gleichwohl wird diese Maßnahme und die bald darauf folgende antijüdische Gewalt Anfang November 1938 die Familie erschreckt und eingeschüchtert haben.
Nicht klar ist, wann und warum Moses Potasnik in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert wurde. Was mit ihm am Ende geschah, haben seine Frau und sein kleiner Sohn nicht mehr erfahren:
Am Montag, den 10. November 1941, mussten sie sich, versehen mit all ihrem Gepäck und mit Proviant für mehrere Tage, am Bahnhof Steinbeck einfinden. Mit rund 250 weiteren Juden und Jüdinnen aus Wuppertal und den bergischen Nachbarstädten wurden Mutter und Sohn nun nach Minsk deportiert.
Das Ghetto in Minsk war von den deutschen Besatzern im Sommer 1941 auf zwei Quadratkilometern eingerichtet worden. Rund 75.000 jüdische Menschen lebten in Minsk, von denen die meisten ins Ghetto umziehen mussten. Im Herbst und Winter kamen dann noch sieben Deportationszüge mit rund 7000 Jüdinnen und Juden aus dem „Altreich“ hinzu. Die Lebensverhältnisse in den aus Stein oder Holz erbauten Häusern waren katastrophal.
Wer am Leben bleiben durfte, musste in ein besonderes Ghetto etwas abseits vom Hauptghetto ziehen, das in fünf Abteilungen entsprechend der Herkunft der Transporte eingeteilt war: Hamburg, Berlin, Bremen, Wien und eben Rheinland. Von diesen Ghettobewohnern starben die meisten durch Erschießungs- und auch Vergasungsaktionen (durch KFZ-Motorabgase) Ende Juli 1942, am 8. März 1943 und im Herbst 1943.
Die meisten der Opfer aber kamen gar nicht erst ins Ghetto, sondern wurden mit dem Zug direkt in das 12 km südöstlich von Minsk gelegene Maly Trostenez gebracht und dort ermordet, in der Regel bei Erschießungsaktionen. Das Schicksal der wenigen, die in ein Arbeitslager geschickt wurden, ist unbekannt.
Dorothea Potasnik war bei ihrer Deportation 36 Jahre alt, ihr Sohn elf.
Ihr Mann Moses wurde im Februar 1943 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge: Deportationsliste Minsk | https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/12668881?s=Potasnik&t=2574809&p=6