Willi Stern
Willi Stern wurde am 5. Dezember 1877 in Kierspe im Sauerland geboren. Seine Eltern waren Abraham und Marianne Stern, geb. Rosenberg. Willi Stern hatte noch zwei Geschwister: Alfred und Hedwig, die später den polnischen Kaufmann Moritz Treistmann heiraten und mit ihm nach Elberfeld ziehen sollte.
Willi Stern besuchte in Meinerzhagen die katholische Volksschule und machte dann eine kaufmännische Lehre bei der Firma Aron Meyer, eine Schürzenfabrik, in Bochum. Nach verschiedenen Arbeitsstellen trat er schließlich in die väterliche Firma „Abraham Stern“ in Meinerzhagen ein, ein Versandgeschäft für Textilwaren. Um 1907 gründete Willi Stern in Meinerzhagen zusammen mit seinem Schwager Ernst Rosenberg die Firma „Stern und Rosenberg“, ebenfalls ein Versandgeschäft von Textilien. 1908 wurde Willi und Margarete Sterns Sohn Ludwig geboren.
Ernst Rosenberg war Soldat im Ersten Weltkrieg und fiel am 26.September 1917, so dass Willi Stern Alleininhaber der Firma wurde.
Ende 1929 zog die Familie Stern nach Elberfeld um, und Willi Stern verlegte auch den Firmensitz nach dort. Die „Firma Stern und Rosenberg, Kleinhandel mit Manufakturwaren und Konfektion“ hatte ihren Sitz in der Elberfelder Herzogstraße 16.
Am 1. März 1938 trat Margarete Sterns Sohn Ludwig in die Firma als persönlich haftender Gesellschafter ein, aber unter dem zunehmenden Druck der nationalsozialistischen Boykottmaßnahmen trat er schon wenige Monate später, am 23. Juli 1938, aus der Firma aus. Im November gelang es Ludwig, mit seiner Frau Ilse, geb. Weil, die er im Mai 1937 geheiratet hatte, nach Argentinien auszuwandern.
Die Eltern blieben zurück. Ende 1938 löste Willi Stern die Firma gänzlich auf. Er war jetzt 61 Jahre alt und wie alle noch im Deutschen Reich verbliebenen Juden dachte er mit seiner Frau Margarete unentwegt über eine Ausreisemöglichkeit nach. Eine davon war, mit einem Sammeltransport nach Spanien zu fliehen. Um diese Chance zu prüfen, war das Ehepaar eigens nach Berlin gereist. Aber die Idee zerschlug sich.
Willi Sterns Schwester Hedwig war mit dem Autoteile-Hersteller und -Händler Moritz Treistmann verheiratet und wohnte mit ihm und den drei Töchtern in der Kronprinzenallee 101. Da Willis Schwager Pole war, hatte auch seine Frau die polnische Staatsangehörigkeit. Ende Oktober versteckten sich die Eheleute vor der Razzia auf polnische Juden und emigrierten dann im April 1939 aus Wuppertal, um zu Moritz` Verwandten nach Lublin zu ziehen. Moritz starb dort an einer Blutvergiftung. Hedwig blieb allein im Ghetto von Lublin zurück und wurde, vermutlich Anfang 1942, im Vernichtungslager Maidanek ermordet.
Am 21. April 1942 mussten Willi und Margarete Stern, zusammen mit dem Ehepaar Harry und Adele Renberg, das Haus in der Bleicherstraße 8 verlassen und sich mit ihrem Gepäck zum Bahnhof Steinbeck begeben. 60 Jüdinnen und Juden aus Wuppertal, dazu je eine Person aus Remscheid, Neviges, Velbert und Hattingen mussten sich an diesem Frühlingsmorgen dort einfinden und wurden zunächst nach Düsseldorf gebracht, wo sie eine Nacht improvisiert auf dem Schlachthofgelände Derendorf zubringen mussten. Am nächsten Tag wurde ein Transport mit insgesamt 387 Männern und 664 Frauen zusammengestellt, der den Bahnhof Derendorf am 22. April 1942 um 11.06 Uhr verließ. Die Route führte über Erkrath, Hagen, Paderborn, Northeim, Nordhausen, Halle (Saale), Cottbus, Sagan, Lissa, Ostrowo, Widzew, Skarzysko Kamienna, Radom, Deblin und Lublin nach Izbica. Nach ihrer Ankunft im Ghetto schrieben manche der Verschleppten Postkarten nach Hause, die auch ihr Ziel erreichten. Sie beweisen, dass die Menschen noch etwa sechs Monate am Leben geblieben sind, ehe sie im Oktober 1942 zu einem Vernichtungslager im Distrikt Lublin – vermutlich nach Sobibór – transportiert und dort sofort ermordet wurden.
Willi Stern wurde 65 Jahre alt.
Quellen
Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung 250283 | Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge: Deportationsliste Izbica | Gottwaldt, Alfred/ Schulle, Diana: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005