Johanna Neufeld, geb. Sachs
Johanna Sachs wurde am 22. Februar 1900 in Limburg geboren. Über ihre Kindheit und ihre Familie ist nichts bekannt. Verheiratet war sie mit Hugo Neufeld. Das Ehepaar lebte zunächst in Plettenberg. Dort betrieb Hugo Neufeld zusammen mit dem Sozius Bacharach ein Geschäft für Textilien, das immer weiter ausgebaut wurde und schließlich vor 1933 etwa 30 bis 35 Arbeitskräfte beschäftigte, darunter auch Johanna selbst, wie sich die frühere Angestellte Helene Hetzler erinnerte. Damit gehörte das Unternehmen zu den größten Geschäften der Gegend und verzeichnete Tagesumsätze von bis zu 11.000 Reichsmark. Helene Hetzler erinnerte sich, dass die Zahl der Beschäftigten durch die Boykottmaßnahmen rasch auf 15 bis 20 Angestellte sank. Sie selbst sei bis zum 22. Juli 1937 bei der Firma Neufeld beschäftigt gewesen. Vermutlich um diesen Zeitraum herum musste Hugo Neufeld sein Geschäft wegen der anhaltenden Boykottmaßnahmen aufgeben.
Das Ehepaar Neufeld hatte zwei Kinder: Norbert Wolfgang und Dorit. Gemeinsam zog die Familie am 9. Februar 1940 nach Wuppertal zunächst in das Haus Hellerstraße 11 in Barmen. Norbert Wolfgang und Dorit gelang von hier aus noch die Auswanderung nach Palästina.
Im Jahr 1941 wurde das Ehepaar Neufeld in das Haus der verwitweten Hedwig Spier, geb. Leveson in der Haspeler Straße 57 eingewiesen, damals Adolf-Hitler-Straße 283.
Der Hauseigentümer, Kaufmann Julius Spier, war 1939 gestorben. Seine Tochter Margot Happ, geb. Spier, erinnerte sich später:
In der Nazizeit, d.h. von Januar 33 an, war mein Vater schrecklichen Aufregungen ausgesetzt, besonders am 1. April 33, wo der bekannte Boykotttag war, so dass er herzkrank wurde. Da er zu krank war, um noch an eine Auswanderung zu denken, war er sozusagen ans Haus gefesselt, das sich Haspeler Straße 57 in Unterbarmen befand. Als in der Kristallnacht die Nazihorden in unser Haus eindrangen und alles kurz und klein schlugen, die schönsten Kunstwerke wie Bilder und eine Vitrine mit Porzellan etc. regte er sich in seinem Bett so auf, dass er einen Infarkt bekam, von dem er sich nie wieder erholte. Er konnte nicht einmal mehr die zweite Etage verlassen, wo sich unsere Schlafzimmer befanden, und starb am 15. Mai 1939. Ich selber hatte nach Stettin geheiratet, bin aber die letzten Jahre oft nach Wuppertal zurückgegangen, wo ich mit ansehen musste, wie man meiner Mutter, die ja als Witwe zurückgeblieben war, lauter fremde und unangenehme Leute ins Haus setzte, so dass sie nicht mehr Herr in ihrem eigenen früher so schönen Heim war.
Am Montag, den 10. November 1941, mussten sich Johanna und Hugo Neufeld auf dem Bahnhof Wuppertal-Steinbeck einfinden, wo sie ein schon mit vielen Hunderten Menschen besetzter Zug aufnahm. Auch die anderen Bewohner des Hauses mussten mit: die Familie Heymann und die Ehepaare Hesse, Neufeld und Samson – insgesamt neun Personen. Mit dem zweiten Massentransport jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus Wuppertal kamen sie in die weißrussische Stadt Minsk. Dort wurden die Menschen sehr bald erschossen, entweder in Minsk oder im nahegelegenen Wald von Maly Trostenez.
Johanna Neufeld wurde 41 Jahre alt.
Ihre Kinder konnten rechtzeitig nach Israel emigrieren und überlebten.