Moses Löwenthal
Schon vor 1900, dem Todesjahr seines Vaters Abraham, hatte der am 19. Januar 1862 in Ronsdorf geborene Moses Löwenthal das väterliche Geschäft übernommen. Die Löwenthals hatten ein Geschäft hauptsächlich für Berufskleidung für die Bandwirker und Bettwäsche in der damaligen Barmer Straße 14, die in der NS-Zeit in „Deutschherrnstraße“) umbenannt wurde und heute Elias-Eller-Straße heißt. Offenbar lebten die Löwenthals und später andere jüdische Familien in guter Nachbarschaft mit ihren christlichen Nachbarn. Sie waren überzeugte Ronsdorfer, deutsche Patrioten, aber zugleich fromme Juden. Während sich die Mehrheit der Juden und Jüdinnen im Wuppertal mehr und mehr für die liberale Richtung des Judentums entschieden, lebten die Löwenthals orthodox. Sie hielten die Speisegesetze, die Feiertage, den Schabbat und andere religiöse Vorschriften ein. Sie lehnten die Rabbiner in Barmen und Elberfeld als zu liberal ab und gründeten mit einigen anderen konservativen Familien eine kleine orthodoxe Gemeinde, die einen Betraum in der Luisenstraße in Elberfeld einrichtete und unterhielt. Schließlich stellten sie sogar einen eigenen Vorbeter und Lehrer ein: Baruch Weingarten. An Schabbat und zu den hohen Feiertagen gingen die Löwenthals zu Fuß nach Elberfeld und übernachteten dort bei befreundeten Familien. Oft kamen diese aber auch zum Gebet nach Ronsdorf, denn die Familie Löwenthal besaß selbst eine Torarolle, so dass sie das Gebet auch zu Hause in ihrer Wohnung anhalten konnte.
Nach der Aufhebung des Mieterschutzes für Juden im April 1939 wurden jüdische Hauseigentümer gezwungen, ihre Wohnungen zu teilen, um die von ihren „arischen“ Vermietern ausgewiesenen jüdischen Mietern aufzunehmen. In Ronsdorf wurde das Haus der Löwenthals in der Deutschherrnstraße 19 zu einer solchen Zwangsunterkunft erklärt. Moses Löwenthal und seine Tochter Selma hatten also nun weitere Menschen aufzunehmen, die 1941 und 1942 alle in Ghettos im Osten deportiert werden sollten:
Das waren Moses Sohn Fritz mit seiner Frau Flora und den Kindern, der neunjährigen Ruth und dem sechsjährigen Manfred, die am Oktober 1941 nach Lodz verschleppt wurden, Käthe Glaser und ihre Stiefmutter Martha Glaser aus Barmen, das Ehepaar Hugo und Johanne Rothschild aus Heckinghausen, Helene Wolf, die drei Wochen später nach Minsk deportiert wurden, und schließlich Regina Lehmann, die im Juli 1942 nach Theresienstadt kam.
Am 17. Februar 1942 verhaftete die Polizei den 80jährigen Moses Löwenthal wegen angeblicher „Geldhortung“. Jemand hatte ihn bei der Polizei denunziert. Das Landgericht Wuppertal verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von vier Wochen, weil er über die erlaubten 340 Reichsmark weitere 400 Reichsmark besaß. Seine Erklärung, er müsse noch Rechnungen für seine außerhalb lebende Schwester bezahlen, nützte nichts. „Gerade der Jude ist gehalten, die Gesetze mit aller Sorgfalt zu beachten“, hieß es in der Urteilsbegründung. Moses Löwenthal saß bis zum 18. März 1942 in Untersuchungshaft, so dass die verhängte Haftstrafe als verbüßt galt.
Kurze Zeit später, am 23. Mai 1942, wurde Moses Löwenthals Tochter Selma verhaftet und in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert. Von dort kam sie am 9. Oktober 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz und wurde vermutlich sofort ermordet. Davon erfuhr der Vater hoffentlich nichts mehr.
Er selbst hatte sich am 20. Juli 1942, zusammen mit der Nachbarin Regina Lehmann, am Bahnhof einzufinden, wo er mit über 250 weitere Jüdinnen und Juden aus Wuppertal und den Nachbarstädten den Zug besteigen musste, der sie nach Düsseldorf brachte. Nach einer Nacht auf dem Schlachthofgelände fuhr der Zug mit rund 1000 Personen aus dem gesamten Gestapobezirk Düsseldorf in das Ghetto Theresienstadt. Am 21. September 1942 wurde Moses Löwenthal aus dem Ghetto in das Vernichtungslager Treblinka verbracht und vermutlich sofort ermordet. Er wurde 80 Jahre alt.
Quellen
Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung 250032; Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal: Deportationsliste Theresienstadt