
Beatrice Inow, geb. Michels
Beatrice Michels wurde am 25. Juni 1887 als zweites von zehn Kindern in Bochum geboren. Ihre Eltern waren Julius und Amalie, geb. Mayer. Vermutlich 1919 lernte Beatrice den Elberfelder Kaufmann Max Inow kennen und am 28. Februar 1920 heirateten die beiden; mit 33 Jahren war Beatrice für eine Braut schon relativ alt, aber vermutlich hatte sie, als Zweitälteste der großen Geschwisterschar, eine große Aufgabe zu Hause gehabt. Zeitlebens blieb sie sehr auf ihre Bochumer Familie bezogen und hing sehr an der Mutter.
Das junge Paar bezog das Haus Brillerstraße 34, wo 1921 die Tochter Grete und im nächsten Jahr, 1922, der Sohn Alfred geboren wurden. 1929 kam das noch das Nesthäkchen Renate dazu. Für jedes Kind pflanzte Beatrices Mann einen Kastanienbaum im Garten hinter dem Haus. „Wir drei Geschwister“, so erinnerte sich später die älteste Tochter, „wuchsen in einer außerordentlich harmonischen Atmosphäre von Liebe, Wärme und Verständnis auf.“ Die Eltern machten viele Ausflüge mit den Kindern und förderten ihr Interesse an der Natur, an Musik, Literatur und Kunst. Häufig kamen Gäste zu Besuch, oder die Familie fuhr nach Bochum, Essen und Düsseldorf, wo die Großeltern und die Verwandten wohnten. Beatrice fuhr zuweilen auch allein nach Bochum, um die Mutter zu besuchen. Dann nutzten ihr Mann und ihre Kinder die Gelegenheit, auch mal etwas „Unkoscheres“ zu kochen, zum Beispiel einen Schweinebraten. Sonst führte Beatrice einen gemäßigt koscheren Haushalt.
Im August 1931 machte sich Max Inow allein selbständig und eröffnete in der Schwebebahnpassage Döppersberg ein Antiquitätengeschäft. Er konnte Geschenkartikel, insbesondere die Importware aus Japan, mit einer hohen Gewinnspanne verkaufen. Münzen und Briefmarken fanden bei Sammlern, die zu seinen Stammkunden zählten, reges Interesse.
Anfang 1937 wurde Max Inow unter dem Druck der antijüdischen Gesetze des nationalsozialistischen Staates gezwungen, den Laden in der günstigen Geschäftslage aufzugeben. Er führte das Geschäft zunächst im Kipdorf weiter, wo er etwa ein Jahr geduldet wurde. Als das auch nicht mehr einträglich war, mietete er in der Schönen Gasse ein Ladenlokal, dessen Besitzerin judenfreundlich war. Aber am 10. November 1938 wurde in den Laden eingebrochen, die Ware geraubt und die Einrichtung verwüstet. Max Inow musste aufgeben.
Beatrice und Max taten nun alles, um ihre gefährdeten Kinder Alfred und Renate außer Landes zu bringen – die Älteste, Grete, war schon 1937 nach Schweden ausgewandert, um später nach Palästina zu emigrieren. Aber der sechzehnjährige Alfred war in der Reichspogromnacht im November 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht worden, von wo er erst nach vier schweren Wochen nach Hause zurückkehren konnte. Die Eltern bemühten sich nun unablässig um die Ausreisepapiere für den Sohn. Die bekamen sie im März 1939, so dass Alfred endlich nach England emigrieren konnte.
Für die kleine Tochter Renate gab es zwei Monate später die Gelegenheit, mit einem Kindertransport nach England zu kommen. In London lebte schon Beatrices Schwester Hedwig mit ihrem Mann und drei Söhnen, so dass Alfred und Renate wenigstens zu vertrauten Menschen kamen, wenn ihnen auch sonst alles sehr fremd erscheinen musste.
Das Leben von Beatrice und Max Inow erfuhr immer weitere Einschränkungen. Ihr Haus wurde zu einem „Judenhaus“ erklärt. Das bedeutete, dass sie anderen Juden und Jüdinnen, denen die Wohnung von den „arischen“ Vermietern gekündigt worden war, Unterkunft geben mussten. Neben dem Ehepaar Inow und dem im August 1939 verwitweten Schwager und Bruder Gustav wohnten schließlich noch die Familien Recha und Ewald Labbé mit ihrem Sohn Rolf, Hugo und Hede Israel mit ihrer Tochter Eva und Anna Kurek mit ihrer Tochter Edith im Haus. Frau Kureks Mann Isaak war im September 1939 in Wuppertal verhaftet worden und war im Konzentrationslager.
Die Inows bemühten sich um eine Auswanderung in die Vereinigten Staaten, wo schon einige von Beatrices Geschwister lebten. Die „Anforderungsnummer“ auf der Warteliste war jedoch so hoch, dass sie wenig Hoffnung hatten, eine Zusage zu erhalten. Ebenso erging es ihnen mit weiteren Anträgen, die sie stellten, so oft sich die Gelegenheit dazu bot. Beatrice lernte zusammen mit ihrem Mann intensiv Englisch bei ihrem Nachbarn, dem Sprachlehrer Ewald Labbé, und schrieb lange Briefe an die Verwandten und die Kinder. Die drei kräftig wachsenden Kastanienbäume im Garten nahmen die Eltern zum Anlass, die Kinder zu ermahnen, ihre Kräfte dafür einzusetzen, voranzukommen, mit Fleiß zu lernen und rechtschaffen ihren Weg zu gehen.
Mit dem Fortschritt des Krieges wurde der briefliche Kontakt nach England und zu dem unter britischem Mandat stehenden Palästina, wo die Älteste, Grete, mittlerweile lebte, immer schwieriger. Ab 1941 konnten die Eltern den Kindern nur noch Telegramme schicken, die durch das Internationale Rote Kreuz übermittelt wurden. Das Letzte, was die Kinder durch Verwandte, die in den USA lebten, von ihren Eltern erfuhren, war die Nachricht:
Wir fahren am 26. Oktober nach Litzmannstadt, und mit uns fahren viele unserer Bekannten. Man hat uns versprochen, weiterhin unsere Ausreiseanträge zu bearbeiten.
Max, Beatrice und Gustav Inow wurden am 26. Oktober 1941 nach Łódź deportiert und am 7.5.1942 in der Vernichtungsstätte Chełmno ermordet. Beatrice Inow war 55 Jahre alt.


Bildnachweis
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
Quellen
Adressbuch Wuppertal 1942; Stadtarchiv Wuppertal, Akten für Wiedergutmachung 601234