Grabstein von Alfred Fleischhacker auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg

Fanny Fleischhacker, geb. Fleischhacker

  • Geburtsdatum: 04.05.1880
  • Geburtsort: Elberfeld
  • Beruf: Kauffrau
  • Wohnort:

    Herzogstraße 25, Weststraße 2, Herzogstraße 35

  • Todesdatum: nach 10.11.1941
  • Todesort: Ghetto Minsk oder Vernichtungsstätte Maly Trostenez

Fanny Fleischhacker wurde am 4. Mai 1880 in Elberfeld als Tochter der Eheleute Liebmann Fleischhacker und Jenny, geb. Buchthal geboren. Ihr Vater Liebmann, ein frommer Jude, hatte 1876 mit der Erleichterung des Gemeindeaustritts durch den Reichstag die orthodoxe jüdische Gemeinde „Adass Israel“ in Elberfeld gegründet und einen Betsaal in der Luisenstraße angemietet – allerdings traten die orthodoxen Juden aus der liberalen Hauptgemeinde nie förmlich aus, sondern blieben ihr verbunden.

Fanny hatte noch eine ältere Schwester, Hedwig, die spätere Ehefrau des SPD-Stadtverordneten Emil Hirsch, die jüngere Bertha, später verheiratetet Goldschmidt, die 1941 von Köln aus nach Riga deportiert wurde, und den jüngeren Bruder Karl, der mit seiner Frau Selma Silberberg auch in Wuppertal lebte.

Ihre Schwester Hedwig gründete mit ihrem Mann Emil ein Hutgeschäft in Barmen, so dass die Firma Fleischhacker in beiden Städten präsent war.

Am 25. Juni 1909 heiratete Fanny ihren Cousin, den ein Jahr jüngeren Max Fleischhacker aus Düsseldorf und übernahm mit ihm die Geschäftsführung. Die Eheleute hatten zwei Kinder: 1912 kam der Sohn Alfred zur Welt, 1919 die Tochter Lieselotte, genannt Lotte.

Fannys Tochter Lotte Winter erinnerte sich nach dem Krieg an die geschäftlichen und häuslichen Verhältnisse:

Meine Mutter hat bis zur Aufgabe des Geschäfts immer von 8 Uhr früh bis 7 Uhr abends im Geschäft gearbeitet. Das Geschäft bestand aus zwei großen Läden, die räumlich verbunden waren. Es hatte zwei Eingänge und ein großes Atelier. Es lag im Stadtzentrum und hatte vier Schaufenster. Es arbeiteten in den Jahren 1930 bis 1933 ca. 25 Arbeiterinnen und Verkäuferinnen. […] Wir lebten in sehr guten Verhältnissen, machten große Reisen und führten einen großen Haushalt.

Und eine der früheren Verkäuferinnen bei Fleischhackers, Anny Hoffmann, ergänzte:

Ich weiß aus eigener Anschauung, dass die Firma Fleischhacker vornehmste Kundschaft in Wuppertal hatte, z.B. Gebhardt und Frowein. Es kam oft vor, dass diese mit mehreren Mänteln vorfuhren und sich dazu passend gleich mehrere Hüte bestellten, die nie unter 100 Reichsmark kosteten. An Samstagen wurden oft allein durch mich 30 bis 35 Hüte verkauft. Wir hatten damals acht Verkäuferinnen und etwa 24 bis 25 Beschäftigte in den Ateliers.

1926 starb Fannys Vater Liebmann Fleischhacker – seine Frau Jenny war schon 1915 gestorben. Nun beauftragten die Kinder ihren Verwandten, den Bildhauer Leopold Fleischhacker, mit der Anfertigung eines außergewöhnlichen Grabmals für die Eltern. Passend zu ihrer Frömmigkeit ließen sie zwei schöne Sätze aus der Bibel eingravieren. Auf Jennys Seite steht: „Wo ist deine Frau Sarah? – Seht, sie ist im Zelte“ aus dem ersten Buch Mose 18,9. Das ist eine Anspielung sowohl auf den jüdischen Namen der Verstorbenen (Sara) als auch auf den Doppelsinn, den „Zelt“ auch als „letzte Ruhestatt“ haben kann. Auf der Seite von Liebmann steht: „Ein rechtschaffener und herzensguter Mann, Herr Elieser, Sohn des toragelehrten R. Mosche des Leviten. Weisung der Wahrheit war in seinem Munde. Ihre Seelen mögen eingebunden sein in das Bündel des Lebens.“

1933 heiratete Fannys Tochter Lotte, die damals Medizin studierte, ihren zionistisch eingestellten Kommilitonen Kurt Winter in Tel Aviv und kehrte auch nicht wieder nach Elberfeld zurück. Im November 1936 starb Fannys Mann Max, so dass die Witwe nun als Alleinerbin die Leitung der Firma übernahm, und sicherlich wird ihr der 24-jährige Sohn Alfred, ein gelernter Kaufmann, im Geschäft beigestanden haben.

Aber die Geschäfte der Fleischhackers wurden zunehmend boykottiert, und im Zuge der antijüdischen Ausschreitungen im November sogar zerstört. Fanny war gezwungen, ihre Firma zu liquidieren.

Gravierender allerdings war sicherlich die Verhaftung ihres Sohnes Alfred am 10. November. Wie so viele weitere Wuppertaler Männer kam er ins Polizeigefängnis Elberfeld und wurde vom 17. bis 26. November in Dachau inhaftiert. Seine Gefangenen-Nummer war 29607.

Seine Schwester Lotte erinnert sich später: Er wurde wieder freigelassen. Ich nehme an, meine Mutter hatte ihn bei der SA oder SS „freigekauft“. Am 8. Dezember drohte man, ihn wieder zu holen, obwohl seine Emigration wohl schon fertig geplant gewesen ist (Gestapo-Schnellbrief vom 21.11.1938). Alfred versuchte vergeblich bis in die Nacht hinein, meine Mutter zu überreden, sich mit ihm zusammen das Leben zu nehmen. Aber meine Mutter widersprach: „Es gibt immer noch einen Ausweg, ich nehme mir nicht das Leben“. Nachts um zwei fand sie Alfred tot am Fensterkreuz hängen. Meine Mutter und Auguste, unsere treue Haushälterin, mussten ihn abnehmen und fuhren ihn am nächsten Tag auf einer Schubkarre zum jüdischen Friedhof. Mein Bruder war 26 Jahre alt, gesund, hatte sich aber leider nicht überzeugen lassen, dass es notwendig war, Deutschland zu verlassen. Es war bedrückend für mich, dass ich meiner Mutter in dieser furchtbaren Situation überhaupt nicht beistehen konnte. Ich selbst habe sehr unter Alfreds Tod gelitten. […] Vielen ist es ein Rätsel, warum ein junger Mensch, der rassisch verfolgt wurde, Deutschland nicht verlassen hat. Jedoch bedenken diese Frager nicht, dass auch die Emigration keine sichere Rettung war.

Alfred wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weinberg bei seinem Vater Max auf Feld K V/38 begraben.

Alfreds und Lottes Mutter Fanny Fleischhacker wurde mit dem zweiten Transport Wuppertaler Jüdinnen und Juden am 10. November 1941, zusammen mit ihrem Bruder Karl und ihrer Schwägerin Selma, nach Minsk deportiert und vermutlich einige Tage später dort oder in Maly Trostenez erschossen. Nach dem Krieg ließen die überlebenden Kinder auf dem Grabstein für Max und Alfred Fleischacker noch eine weitere Inschrift für die Mutter Fanny hinzufügen.

Bildnachweis


  • Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal

Quellen


Bundesarchiv, ZZ Helmut Hirsch