Samuel Zuckermann
Samuel Zuckermann wurde am 1.10.1878 in Lublin geboren. Dort heiratete er Sophie Maus, mit der er 1905 als sogenannter „Ostjude“ ins Rheinland kam. Die schlechte wirtschaftliche Lage in seiner Heimat wird das junge Ehepaar dazu bewogen haben, einen Neuanfang im Westen zu riskieren. Samuel arbeitete zunächst als Hilfsmechaniker in der Nähmaschinen- und Fahrradfabrik „Linde und Junkers“ in Düsseldorf, bevor er als gelernter Kaufmann und Mechaniker nach Elberfeld zog. Sein erstes Geschäft eröffnete er in der Wülfingstraße, wo er gebrauchte Nähmaschinen und Fahrräder in Zahlung nahm, reparierte und wiederverkaufte.
Vermutlich in dieser Zeit kam der erste Sohn zur Welt, der aber nicht lange gelebt hat. Mit dem zweiten Sohn fuhr Sophie Maus, hochschwanger, im Juni 1908 nach Lublin, um dort Verwandte zu besuchen. Dort starb auch dieses Kind, aber Leo wurde geboren, der die riskante Säuglingszeit überstand. Mittlerweile hatte die Familie die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen.
1910 folgte der Sohn Rudolf und 1911 die Tochter Dora. Die Familie wohnte zunächst in der Ronsdorfer Straße, später in der Bachstraße 25 (heute Gathe) in Elberfeld.
Sein zweites Geschäft eröffnete Samuel Zuckermann in der Klotzbahn. 1914 war er in der Lage, das Haus Luisenstraße 124 zu erwerben, wo er eine Nähmaschinenhandlung eröffnete. Das war kein Ladengeschäft mit Schaufenster, sondern ein Kontor mit Lager. Nur ein Transparent an der Hauswand deutete darauf hin, dass er die Geschäfte von seiner Wohnung im Untergeschoss aus abwickelte.
Laut Zeugenaussagen war Samuel ein sparsamer, fleißiger und bescheidener Geschäftsmann, der seinen auf Tauschgeschäften basierenden Betrieb schnell zu einem wohlhabenden Mittelstandsunternehmen ausbaute. Eine Nähmaschine aus seinem Geschäft befindet sich heute in der Dauerausstellung der Begegnungsstätte Alte Synagoge.
Samuel und seine Frau waren Mitglieder der SPD und der Deutschen Friedensgesellschaft. Beide waren keine strenggläubigen Juden, schickten jedoch ihre Söhne zum jüdischen Religionsunterricht. Die Tatsache, dass beide Söhne die Oberrealschule am Hindenburgplatz (heute Hermann-von Helmholtz-Realschule) besuchten und mit dem Abitur abschlossen, lässt darauf schließen, dass Samuel ehrgeizig war und Bildung für einen hohen Wert hielt.
Als politisch aufgeklärter Bürger kaufte er anlässlich des Reichstagsbrandes am 27./28.2.1933 ein Radio. Nach eigenen Angaben wollte er die Nachrichten ausländischer Sender zu Rate ziehen, um vertrauenswürdige Informationen über die aktuelle politische Lage in Deutschland zu erhalten.
Ab 1933 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage seines Betriebs wegen der Radikalisierung der anti-jüdischen Maßnahmen. Ein anschauliches Beispiel für die Schikanen durch die SA ist, dass, obwohl er sein neues Radio bar bezahlt hatte, eine Woche später ein SA-Mann weiteres Geld von ihm forderte. Samuel verweigerte dem Erpresser die Zahlung, worauf dieser noch eine Woche später mit fünf weiteren SA-Männern zurückkehrte und randalierte.
Die ganze Familie war politisch links eingestellt, so dass die Söhne bald auswandern mussten: Leo, der ein abgeschlossenes Jura-Studium absolviert hatte, und Rudolf, der Medizin studierte, gingen über Frankreich nach Übersee und fanden in Mexiko Exil.
Samuel drängte seine Frau und seine Tochter, ebenfalls auszuwandern. Die Frauen zogen nach Frankreich, wo Sophie ein Haus in Enghien-les-Bains erwarb. Samuel blieb in Elberfeld zurück, weil er seine Existenz noch nicht aufgeben wollte und der Überzeugung war, die Verfolgung überstehen zu können. Er besuchte seine Frau so lange wie möglich (bis 1938).
Am 26. März 1934 wurde den Zuckermanns die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen, und damit waren sie nun staatenlos.
Vor der Reichspogromnacht flüchtete Samuel aus seinem Haus. Als er wieder zurückkehrte, fand er es demoliert und geplündert vor. Jetzt zog er sich zurück und lebte nur noch in einem Mansardenzimmer in der ersten Etage seines Hauses. Am 30.11.1938 sah er sich gezwungen, sein Geschäft endgültig aufzugeben. Weitere jüdische Bewohner lebten nun im Haus, die von ihren „arischen“ Vermietern aus ihren Wohnungen gedrängt worden waren: Emil und Henriette Hirschberg aus der Friedrichstraße 30.
Kurz vor seiner bevorstehenden Deportation im Oktober 1941 versuchte Samuel Zuckermann, seine Möbel zu retten und mit dem Zug nach Paris zu seiner Frau spedieren zu lassen. Sie kamen allerdings nie an und wurden später in Düsseldorf „sichergestellt“. Am 26. Oktober 1941 wurde Zuckermann mit der ersten Deportation Wuppertaler Juden in das Getto Litzmannstadt (Łódź) deportiert und von dort am 7. Mai 1942 in das Vernichtungslager Chełmno verschleppt, wo er spätestens am nächsten Tag ermordet wurde. Er war 64 Jahre alt.
Vor dem Haus Luisenstraße 124 wurden für Samuel Zuckermann und seine Frau Sophie sowie für die Eheleute Hirschberg Stolpersteine verlegt.
Bildnachweis
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge; Stadtarchiv Wuppertal, Akten für Wiedergutmachung 250 441; Jakobs, Hildegard: Im Ghetto Litzmannstadt (Łódź). 1.003 Biografien der am 27. Oktober 1941 aus Düsseldorf Deportierten, in Zusammenarbeit mit Angela Genger, Immo Schatzschneider und Markus Roos, hg. vom Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e.V., Essen 2011; Susanne Mauss: Nicht zugelassen. Die jüdischen Rechtsanwälte im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf 1933-1945, Essen 2013, S. 542f.; Philipp Graf: Zweierlei Zugehörigkeit. Der jüdische Kommunist Leo Zuckermann und der Holocaust, Dresden 2024