Dr. Jakob Faßbender
Jakob Faßbender wurde 1883 in Recklinghausen als Sohn von Adam und Marie Anne Faßbender, geb. Gottschalk geboren. Am 6. August heiratete er Selma Marx aus Dortmund. Das Paar ließ sich in Wuppertal nieder und bekam zwei Kinder: Ernst, geboren 1915, und Marianne, geboren 1922.
Da Jakob Faßbender im Ersten Weltkrieg als Frontkämpfer gedient hatte und ein Jahr in Kriegsgefangenschaft gewesen war, wurde ihm 1933 die Zulassung beim Landgericht Wuppertal nicht entzogen. Seine Kanzlei befand sich in der Arrenberger Straße 16, 1935 an der Tannenbergstraße. Die Familie lebte in der Hubertusallee 23 im Zooviertel.
Die Tochter Marianne erinnerte sich in den 1980er Jahren: Wir waren liberal, aber sehr jüdisch. Wir mussten jeden Freitagabend in die Synagoge gehen, wir mussten jeden Samstagmorgen in die Synagoge gehen, wir mussten wissen, was die Rede war, worüber die Rede war. Wir haben uns an alle Feiertage gehalten, wir sind nie an Feiertagen in die Schule gegangen, mein Vater hat nie an Feiertagen gearbeitet. Wir haben immer an Jom Kippur gefastet… so, that was it. […] Wir waren keine Zionisten. Wir waren treudeutsch.
Obwohl nach der nationalsozialistischen Machtübernahme bereits 1933 die Bürofenster von Jakob Faßbenders Kanzlei eingeschlagen worden waren, kam eine Emigration für ihn nicht in Frage: Mein Vater war Rechtsanwalt und hatte leider kein Sprachtalent, kannte also außer Lateinisch und Griechisch keine andere Fremdsprache. Außerdem war er vier Jahre im Ersten Weltkrieg und ein Jahr in Gefangenschaft. Er glaubte leider nicht, dass er als ehemaliger Soldat und seiner ganzen Familie irgend etwas passieren würde.
Die Kanzlei lief jedoch so schlecht, dass sich Faßbender ab 1936 als „Volkswirt“ am Exerzierplatz (heute Platz der Republik) 27 ins Wuppertaler Adressbuch eintragen ließ. Nachdem ihm die Existenzgrundlage entzogen worden und „Elberfeld pretty unausstehlich geworden“ war, zog die Familie Faßbender nach Köln.
Dort wohnten sie zunächst in der Lochnerstraße 12 oder 14, dann in der Breitestraße 38. Jakob Faßbender konnte sich zwar in Köln nicht mehr als Anwalt niederlassen, hatte aber wohl eine andere Möglichkeit zu arbeiten.
Seine Tochter Marianne nähte in Heimarbeit Büstenhalter, arbeitete dann seit 1939 im „israelitischen Asyl“ an der Ottostraße 95. Mit 18 Jahren begann sie dort eine Ausbildung zur Krankenschwester, die sie im September 1941 mit dem Diplom abschließen konnte.
Der Sohn Ernst war inzwischen, 1938/39, nach England emigriert.
Am 21. Oktober 1941 wurde mit der ersten Deportation jüdischer Menschen aus Köln auch eine so genannte Sanitätsabteilung aus Ärzten und Pflegekräften des Krankenhauses in den Osten „evakuiert“, darunter auch Marianne. Es gelang ihr, auch ihre Eltern auf diesen Transport in das Ghetto von Łódź („Litzmannstadt“) mitzunehmen, so dass die Familie zusammenblieb. Auch im Ghetto konnte die Familie zusammenbleiben und in der Siegfriedstraße 12/15 wohnen. Marianne arbeitete als Krankenschwester im Kinderkrankenhaus des Ghettos, Selma wurde in einer Uniform-Schneiderei eingesetzt.
Am 26. März 1942, dem 20. Geburtstag seiner Tochter Marianne, starb Jakob Faßbender aus mangelnder Ernährung und medizinischer Versorgung, an Kälte und Entbehrung, keine 60 Jahre alt.
Als die deutschen Truppen vor der heranrückenden sowjetischen Armee zurückweichen mussten, sollte das Ghetto Łódź im Sommer 1944 „liquidiert“ werden. Das bedeutete, die Ghettobewohner nach und nach in eins der Vernichtungslager „auszusiedeln“. Selma Faßbender und ihre Tochter Marianne wurden am 8. August nach Auschwitz deportiert. Selma wurde sofort dort ermordet.
Marianne kam eine Woche später mit einem Transport in Viehwaggons in das Lager Christianstadt, einem Außenlager des KZ Groß-Rosen. Hier hatte sie Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie zu leisten: Granaten in der größten Munitionsfabrik des NS-Regimes zu produzieren.
Im eisigen Februar 1945 mussten die noch am Leben gebliebenen Häftlinge in einem sogenannten „Todesmarsch“ über Marienstadt nach Karlstadt marschieren. Von dort wurden sie, wiederum in Viehwaggons zusammengepfercht, nach Bergen-Belsen transportiert. Als das KZ Bergen-Belsen am 15. April 1945 befreit wurde, brachte man Marianne als Krankenhauspatientin nach Schweden.
Nach mehreren Monaten der Genesung suchte sie von dort aus über alte Bekannte in Übersee nach ihrem Bruder Ernst, der seinen Namen inzwischen in „Fergusson“ geändert hatte. Da er in England lebte, ging Marianne 1947 auch dorthin.
Später schilderte Marianne die Stimmung der Zeit nach der Befreiung so: Als der Krieg zu Ende war, sind sehr viele Menschen verrückt geworden, weil sie immer an die Schrecken der Verfolgung und an das Leid denken mussten. Ich habe mir gedacht, dass es nun zwei Wege für mich gibt: Entweder ich denke immer daran und werde auch verrückt, oder aber ich denke nie daran und kann normal leben. Ich habe mich für den zweiten Weg entschieden. Ich habe nie daran gedacht.
Bildnachweis
Quellen
Mauss, Susanne: Nicht zugelassen. Die jüdischen Rechtsanwälte im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf 1933-1945, Essen 2013, S. 135