Intention und Recherche
Die Website Wuppertaler Gedenkbuch dokumentiert die Lebensdaten und Lebenswege von 1432 Wuppertalerinnen und Wuppertaler, die zwischen 1933 und 1945 ermordet wurden oder an den Folgen der Haft starben.
Unser Internet-Gedenbuch enthält die Namen von Personen, die in Wuppertal gewohnt haben oder hier geboren wurden und die in der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 umgekommen sind, weil sie als Juden verfolgt wurden. Die gewaltsamen Todesumstände waren unterschiedlich: Die allermeisten der hier genannten Menschen wurden ermordet – in Konzentrations- und Vernichtungslagern, durch Vergasen, Verbrennen, Erschießen und andere Tötungsarten. Viele starben an Hunger, Entkräftung und fehlender medizinischer Versorgung. Manche nahmen sich das Leben, andere kamen um auf der Flucht oder während der Zwangsarbeit.
Aufgenommen worden sind auch die Namen der Menschen, die an den Folgen der Haft nach 1945 noch gestorben sind. Dazu gehört zum Beispiel auch die erst 1958 in Goch gestorbene Grete Meyer, geb. Bruch.Grete Meyer hatte in Wuppertal in der Hermann-Göring-Straße 46 (heute Neumarktstraße) gewohnt und war nach Riga deportiert worden. „Auf dem Todesmarsch von Stutthof nach Oranienburg blieb sie schwer verletzt unbemerkt im Straßengraben liegen. Nach dem Krieg kehrte sie nach Goch zurück. (…) Schwer geschädigt durch die Zwangsarbeit im Ghetto Riga und KZ Stutthof, erkrankte sie bald schwer und starb 1958.“ (Overhoff, Frank: Biografische Notizen zu Opfern der Shoah aus Langenberg, Neviges und Velbert, Velbert 2014, S. 68).
Es war Kern der nationalsozialistischen Ideologie und Politik, alle Juden und Jüdinnen, jeden und jede einzelne, zu töten, ihr Recht auf Leben zu leugnen und die Erinnerung an sie restlos zu tilgen. Nichts sollte von ihnen bleiben.
Die Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal ächtet diese Absicht und möchte in dem Versuch, die Lebensgeschichten der Ermordeten zu rekonstruieren, ein Denkmal schaffen. Wir fragen dabei nach den familiären Beziehungen, nach den Wohnadressen, nach Ausbildung und Beruf, und wir versuchen uns vorzustellen, was diese Menschen geglaubt, gewünscht, gedacht und gehofft haben. Jedes Detail, das wir in Erfahrung bringen oder von dem uns berichtet wird, ist uns willkommen.
Die früheren Wuppertalerinnen und Wuppertaler, die rechtzeitig aus ihrer Heimatstadt und aus Deutschland in ein sicheres Exil gehen konnten, und deren Nachkommen sind unsere wichtigsten Auskunftgeber. Viele Menschen im Ausland – in den USA, in England und anderen europäischen Ländern, in Israel, aber auch in Australien, in den süd- und mittelamerikanischen Ländern und in Südafrika – haben uns Dokumente, Fotografien und Objekte aus ihrem Familienbesitz vertrauensvoll überlassen und uns ihre Geschichte und die ihrer Verwandten, ihrer Freunde und Bekannten erzählt.
Die Basis unserer Website ist eine Datenbank, die wir seit dem Jahr 2000 permanent weiterentwickeln und aktualisieren. Für den Aufbau dieser Datenbank haben wir in erster Linie Prof. em. Manfred Brusten und Ulrich Föhse (+2012) zu danken, die in eigenen Forschungsprojekten, langjährigen Recherchen und persönlichen Kontakten mit Überlebenden und Angehörigen der NS-Verfolgung eine unübersehbar große Zahl an Informationen zusammengetragen und uns zur Verfügung gestellt haben.
Ausgangsbasis unserer Datenbank waren die von der Düsseldorfer Leitstelle der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) für den damaligen Regierungsbezirk Düsseldorf erstellten Deportationslisten, in denen die Namen und Geburtsdaten der aus Wuppertal nach Łódź, Minsk, Izbica und Theresienstadt deportierten Menschen aufgeführt sind.
Weitere unverzichtbare Quellen sind der große Bestand der im Landesarchiv aufbewahrten Gestapoakten (Bestand RW 58), der umfangreiche Bestand an Akten für Wiedergutmachung im Stadtarchiv Wuppertal, die Wuppertaler Adressbücher und das vermutlich 1935 von der Wuppertaler Kreisleitung der NSDAP, Amt Handwerk und Handel, herausgegebene „Boykottheft“. Eine dritte wichtige Quellenbasis bilden die Dokumente der Arolsen Archives und die Gedenkblätter der israelischen Gedenkstätte Yad VaShem. Schließlich eröffnet das Internet darüber hinaus viele individuelle Recherchemöglichkeiten, z.B. durch die Veröffentlichungen der verschiedenen örtlichen Stolperstein-Initiativen, lokaler Geschichtswerkstätten und einzelner Forscher und Forscherinnen. Im kollegialen Austausch mit den mittlerweile über 300 NS-Gedenkstätten in Deutschland, vielen Gedenkstätten und Museen im europäischen Ausland und über 30 Gedenk- und Geschichtsorten in Nordrhein-Westfalen sind ebenfalls immer wieder wichtige und neue Informationen zu ermitteln.
Die ständig benutzte Literatur und die obligatorisch abgefragten Quellen sind im Anhang dieses Kapitels gelistet. Einzelne Quellen werden nicht extra aufgeführt, können aber selbstverständlich in der Begegnungsstätte Alte Synagoge angefragt werden.
Wir bitten um Verständnis für die Tatsache, dass ein Projekt, das eine solche Fülle an Daten und Einzelinformationen zusammenstellen möchte, trotz aller Sorgfalt Lücken, Fehler und Widersprüchlichkeiten enthalten kann. Die Website ist kein abgeschlossenes Werk. Es besteht die Möglichkeit und ist erwünscht, Daten zu korrigieren und zu ergänzen und Lücken zu füllen. Wir bitten darum, uns über Unstimmigkeiten zu informieren. Anregungen und Verbesserungsvorschläge sind willkommen, werden eingehend geprüft und gegebenenfalls in die Website eingearbeitet.
Die Schreibweise mancher Personen- und Ortsnamen kann unterschiedlich sein. Dies gilt vor allem für Namen polnischer und russischer Provenienz. Im Zuge der bürokratischen Abläufe sind Irrtümer beim Hören oder Abschreiben entstanden. Dass Namen wie z.B. „Meier“ oder „Cohn“ mehrere Varianten haben können, versteht sich. Für unsere Website haben wir uns für die Variante entschieden, die ausweislich der Quellen am wahrscheinlichsten erschien. Kompliziert verhält es sich auch mit einigen Wuppertaler Straßennamen, die sich zum einen im Zusammenhang mit der Vereinigung der einzelnen Städte des Wuppertals zur Stadt Wuppertal im Jahr 1929, zum anderen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten geändert haben. Im ersten Fall geschah dies, um Doppelungen zu vermeiden, im zweiten Fall, um die nationalsozialistische Ideologie auch im Stadtbild und seiner Nomenklatura zu verankern. Die 1933 in nahezu gesamter Länge nach Adolf Hitler benannte Talachse ist sicherlich das prominenteste Beispiel. Eine große Hilfe war hier das Grundlagenwerk von Wolfgang Stock, „Wuppertaler Straßennamen“.
Um die Lesbarkeit zu erleichtern, sind die Texte nicht strikt gegendert. Wenn nur die männliche Form benutzt wird, sind gleichwohl alle Geschlechter gemeint, sofern das sachlich richtig ist.
Schließlich danken wir ganz besonders unseren Düsseldorfer Kolleginnen und Kollegen, namentlich Hildegard Jakobs, die stellvertretende Leiterin, und Dr. Bastian Fleermann, dem Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf. Sie haben uns erlaubt, das Düsseldorfer „Digitale Gedenkbuch“ als Vorlage und Vorbild für das Wuppertaler Projekt zu nutzen, haben uns uneigennützig beraten und waren immer ansprechbar für unsere Fragen und in Problemfällen. Das hat uns gestärkt und ermutigt, auch für Wuppertal ein solch ambitioniertes Unternehmen zu wagen.
Wuppertal, im November 2024
Christine Hartung, MA, Projektleitung
Dr. Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
Genutzte Archive und Internet-Datenbanken
Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945: https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/
Digitales Archiv der Holocaust-Gedenkstätte Yad VaShem in Jerusalem: https://www.yadvashem.org/collections.html, hier besonders die Namenssuche: https://collections.yadvashem.org/en/names
Digitales Archiv der Arolsen Archives: https://collections.arolsen-archives.org/de/archive
Statistik und Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich: https://statistik-des-holocaust.de/list_ger.html
Gedenkbuch Wuppertal: https://www.gedenkbuch-wuppertal.de/de/glossary/g/all
(z. Zt. nur teilweise online)
Geni’s Genealogie-Datenbank: https://www.geni.com/people
JewishGen. The Global Home for Jewish Genealogy: https://www.jewishgen.org/
United States Holocaust Memorial Museum – Holocaust Survivors and Victims Database: https://www.ushmm.org/online/hsv/person_advance_search.php
Datenbank der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau https://www.auschwitz.org/en/museum/auschwitz-prisoners/
Obligatorisch befragte Literatur
Aldinger, Margarethe: Jüdische Bürger in Wuppertal. Geschichte der Jüdischen Gemeinde, Dokumentation, Ms. o.O., o.J. [Wuppertal 1979]
Berschel, Holger: Bürokratie und Terror. Das Judenreferat der Gestapo Düsseldorf 1933-1945, Essen 2001
Bilstein, Jochen/ Backhaus, Frieder (Hg.): Geschichte der Remscheider Juden, Remscheid 1992
Fleermann, Bastian: Deportiert von Düsseldorf in das Ghetto von Minsk. Der Transportbericht des Schutzpolizisten Wilhelm Meurin vom Herbst 1941, in: Düsseldorfer Jahrbuch 83 (2013), Sonderdruck
Fleermann, Bastian/ Jakobs, Hilde: Massenverschleppungen von 1933 bis zur Befreiung 1945. Kleine Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf 5, Düsseldorf 2015
Fleermann, Bastian/ Jakobs, Hilde: Im Niemandsland. Die Abschiebung der polnischen Juden aus Düsseldorf 1938. Kleine Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf 10, Düsseldorf 2019
Fleermann, Bastian/ Genger, Gerd/ Jakobs, Hildegard/ Schatzschneider, Immo: Gedenkbuch für die Toten des Pogroms 1938 auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2019
Föhse, Ulrich: Erst Mensch, dann Untermensch. Der Weg der jüdischen Wuppertaler in den Holocaust, in: Goebel, Klaus (Hg.): Wuppertal in der Zeit des Nationalsozialismus, Wuppertal 1984, S. 65-80
Genger, Angela/ Jakobs, Hildegard (Hg.): Düsseldorf | Getto Litzmannstadt 1941, Essen 2010
Gottwaldt, Alfred/ Schulle, Diana: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945. Eine kommentierte Chronologie, Wiesbaden 2005
Institut Theresienstädter Initiative Academia: Theresienstädter Gedenkbuch. Die Opfer der Judentransporte aus Deutschland nach Theresienstadt 1942-1945, Berlin 2000
Jakobs, Hildegard: Im Ghetto Litzmannstadt (Lodz). 1.003 Biografien der am 27. Oktober 1941 aus Düsseldorf Deportierten, in Zusammenarbeit mit Angela Genger, Immo Schatzschneider und Markus Roos, hg. vom Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e.V., Essen 2011
Lekebusch, Sigrid: Not und Verfolgung der Christen jüdischer Herkunft im Rheinland 1933-1945. Darstellung und Dokumentation (Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte, Bd. 117), Köln 1995
Mauss, Susanne: „Nicht zugelassen“. Die jüdischen Rechtsanwälte im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf 1933-1945, Essen 2013
Overhoff, Frank: Biografische Notizen zu Opfern der Shoah aus Langenberg, Neviges und Velbert, Velbert 2014
Pracht-Jörns, Elfie: Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil 2: Regierungsbezirk Düsseldorf (Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland, Bd. 34.2), Köln 2000
Ruhland, Anna: Die Kindertransporte 1938/39: von Wuppertal nach England. Magisterarbeit zur Erlangung des Magister Artium am Historischen Seminar der Universität zu Köln, Köln 2005
Schrader, Ulrike (Hg.): Antworten aus der Emigration. Briefe und andere Quellen jüdischer Flüchtlinge aus Wuppertal in der Sammlung Föhse, Wuppertal 2018
Schrader, Ulrike: Goldschmidt, Cohn und Mandelbaum. Jüdische Orte im Bergischen Land, Wuppertal 2012
Schrader, Ulrike: Tora und Textilien. Zur Geschichte der Juden im Wuppertal, Wuppertal 2007
Schrader, Ulrike: Zerbrochene Zukunft. Der Pogrom gegen die Juden in Wuppertal im November 1938, Wuppertal 2018
Schrader, Ulrike/ Hartung, Christine (Hg.): Tora und Textilien. Jüdisches Leben im Wuppertal. Die Begegnungsstätte Alte Synagoge und ihre Ausstellung, Düsseldorf 2021
Schulte, Armin: „Man soll mich nicht vergessen!“ Stolpersteine in Solingen. Schicksale 1933-1945, Solingen 2020
Stock, Wolfgang: Wuppertaler Straßennamen. Ihre Herkunft und Bedeutung, Essen 2010 (4. Aufl.)
Walk, Joseph (Hg.): Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien-Inhalt und Bedeutung, Heidelberg 1996
Zimmermann, Michael: Die Gestapo und die regionale Organisation der Judendeportationen. Das Beispiel der Stapo-Leitstelle Düsseldorf, in: Paul, Gerhard/ Mallmann, Klaus-Michael (Hg.): Die Gestapo. Mythos und Realität, Darmstadt 1995, S. 357-373