Grabstein von Paula Dreyfus auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg

Paula Dreyfus, geb. Ulmann

  • Geburtsdatum: 21.02.1876
  • Geburtsort: Elberfeld
  • Wohnort:

    Krugmannsgasse 2, Hardtstraße 7, Kirschbaumstraße 29, Kirschbaumstraße 43

  • Todesdatum: 18.07.1942
  • Todesort: Wuppertal

Paula Ulmann kam am 21. Februar 1876 in Elberfeld als Tochter von Marcus und Amalie Ulmann, geb. Mannsbacher zur Welt. Paula hatte noch eine drei Jahre ältere Schwester, Hedwig.

Mit 24 Jahren heiratete Paula Ulmann am 18. Januar 1900 den 1871 in Mainz geborenen Wilhelm Dreyfus und bewohnte mit ihm ein Haus in der Kirschbaumstraße 29 am Rand des Briller Viertels. Wilhelm Dreyfus war Kaufmann und führte eine Eisen- und Metallwarenhandlung in der benachbarten Bayreuther Straße 72/74. Am Ende des ersten Ehejahres, am 26. Dezember 1900, wurde die Tochter Malli Lotte geboren, und ein knappes Jahr später, am 3. November 1901, folgte ein Sohn: Alfred. Paula und Wilhelm Dreyfus erzogen ihre Kinder mit Liebe und Strenge zugleich.

Paulas Kinder heirateten beide im Jahr 1925: Malli Lotte Michael Rudolf Kann und Alfred Hilde Hortensie Ransenberg. 1926 kam Richard zur Welt und 1928 Georg. 1935 zog Alfred mit seiner Familie nach Berlin.

1929 starb Wilhelm Dreyfus, und die junge Großmutter Paula Dreyfus war bereits mit 53 Jahren Witwe. Sie beschloss, ihre Schwester Hedwig und ihren Schwager, den Lungenfacharzt Dr. Georg Hartel zu sich ins Haus ziehen zu lassen. Hartel war katholisch, und auch Hedwig war zum katholischen Glauben konvertiert, vermutlich vor der Eheschließung 1903.

Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 verschlechterten sich die Lebensumstände der Juden und Jüdinnen merklich. Das Geschäft in der Bayreuther Straße, das Paulas Sohn nach dem Tod des Vaters fortführte, wurde zunehmend boykottiert, so dass die Einnahmen schrumpften. Im April 1938 musste alles Vermögen über 5000 Reichsmark gemeldet werden. 1939 musste Paula ihren gesamten Schmuck und einen großen Teil des Hausrats im Wert von rund 20.000 Reichsmark abgeben. Als „Gegenwert“ erhielt sie dafür 160 Reichsmark ausbezahlt. Im November 1938 zogen SA-Horden durch das Viertel und versuchten, in die Häuser und Wohnungen jüdischer Familien einzudringen, zerschlugen Mobiliar und misshandelten die verschreckten Menschen. Paula, Hedwig und auch der nichtjüdische Schwager werden vor diesen Übergriffen zu Tode erschrocken gewesen sein. Den Kindern Malli Lotte und Alfred gelang es, aus Deutschland zu emigrieren, um sich in Sicherheit zu bringen. Die Isolation der Zurückgebliebenen verschärfte sich, nicht erst seit der Einführung des „Judensterns“ im September 1941.

Mitte Juli 1942 erhielt Paula Dreyfus ein Schreiben von der Gestapo, der sie über einen am 20. Juli bevorstehenden „Transport nach dem Osten“ informierte. Es handelte sich um die Deportation von 248 Wuppertaler Juden in das Ghetto Theresienstadt, und auch Paula sollte mitkommen. Ihre Schwester Hedwig war durch ihren nichtjüdischen Schwager vorerst geschützt und stand deshalb nicht mit auf der Liste.

Aber die nun 66-jährige Paula Dreyfus hatte – mit dem Wissen von drei Transporten, mit denen bereits Hunderte jüdische Menschen deportiert worden waren – nicht die Absicht, diesem Befehl Folge zu leisten und erbat sich von ihrem Schwager, Dr. Georg Hartel, ein Gift, um ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen.

Schwester und Schwager schrieb sie zum Abschied: Liebe Hedwig und lieber Georg. Da ich die Kraft nicht mehr habe, dieses Leben weiterzuführen, so mache ich diesem diese Nacht durch Freitod ein Ende. Es tut mir leid, Euch noch solche Aufregung bereiten zu müssen, aber es geht nicht anders. Nehmt meinen herzlichen Dank für die Jahre langer Betreuung und seid herzlichst gegrüßt von Eurer Paula.“

 

Aus der Polizeiakte geht hervor, dass sie am 18. Juli um 14.30 Uhr nach der Einnahme von Veronal gestorben ist. Nach dem untersuchenden Kriminalsekretär Dörr war „der Grund […] darin zu suchen, weil die Verstorbene am 20. Juli 1942 mit anderen Juden abtransportiert werden sollte, was ihr nicht zusagte.“ Am 22. Juli 1942 wurde Paula Dreyfus neben ihrem Mann Wilhelm auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg begraben (Feld H, Reihe 5).

Hedwig und Georg Hartel blieben nun allein in der Kirschbaumstraße 29 zurück. Aber als Hedwig im September 1944 eine Vorladung aufs Polizeipräsidium erhielt – am 17. September 1944 waren die Wuppertaler Jüdinnen und Juden, die mit „Ariern“ verheiratet waren, schon verhaftet worden – befürchtete sie das Schlimmste und wählte wie ihre Schwester Paula einen anderen Weg. Völlig zu Recht war sie davon überzeugt, dass die Taufe sie vor der Verfolgung nicht retten würde. Hedwig Hartel nahm sich am 27. September 1944 das Leben.

Paulas Sohn Alfred gelang 1939 die Flucht nach Australien. Er starb in Melbourne am 13. September 1951. Paulas Enkel Georg (später George) wuchs dort auf, studierte Musik und war ein bekannter Komponist und Fagottist. Auch Paulas Tochter Malli Lotte überlebte, zunächst in Sao Paulo in Brasilien, später in Graz, wo sie 1982 starb.

Seit dem 3.9.2009 befindet sich ein „Stolperstein“ vor dem Haus Nr. 29 in der Kirschbaumstraße für Paula Dreyfus.

Bildnachweis


  • Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, Foto: Matthias Wellmer

Quellen


Stadtarchiv, Akten für Wiedergutmachung 609801; Interview mit George Dreyfus; Korrespondenz