Emilie Stern, geb. Lenneberg

  • Geburtsdatum: 27.09.1881
  • Geburtsort: Attendorn
  • Beruf: Kassiererin
  • Wohnort:

    Hellerstraße 11, Bleichstraße 22 (zwangsweise)

  • Todesdatum: nach 21.09.1942
  • Todesort: Vernichtungslager Treblinka

Emilie Lenneberg wurde am 27. September 1881 als Tochter der Kaufleute Lenneberg in Attendorn geboren. Bis zur Arisierung im Jahr 1938 war das Kaufhaus „Raphael Lenneberg“ das führende Kaufhaus im südlichen Sauerland.

Der im Jahr 1804 in Lenhausen geborene Jude Raphael Heimon, der später den Namen Lenneberg (für Lenhausen) annahm, gründete bereits im Jahr 1840 ein Handelsgeschäft. Zunächst in Helden, wohin er zusammen mit seiner Familie im Jahr 1847 zog. Hierzu gehörte auch ein Warenlager in Elspe.

1875 zog die Familie Lenneberg, zu der neben Raphael und seiner Frau Caroline, geb. Rosenberg, auch noch die fünf Kinder Perl(e), Heimon Heinemann, Theodor, Sarah und Isaak gehörten, nach Attendorn. Auch das „Tuch-Mode und Manufakturwarengeschäft R. Lenneberg“ hatte nun seinen Sitz in Attendorn. Am 30. März 1911 wurde der Neubau im heute noch zu bewundernden Rossmann-Gebäude eröffnet.

Das Kaufhaus Lenneberg wuchs zum führenden Kaufhaus im südlichen Sauerland heran. Im Jahr 1900 überraschte das Kaufhaus mit der Herausgabe eines 84 Seiten starken Kataloges, für damalige Verhältnisse eine echte Sensation. Für große Augen bei der Kundschaft sorgte auch der erste Fahrstuhl in einem Kaufhaus weit und breit.

Nach dem Tod von Raphael Lenneberg im Jahr 1902 übernahm dessen Sohn Theodor – und Emilie Sterns Vater – die Geschäftsleitung des immer weiter expandierenden Unternehmens. Als Theodor Lenneberg im Jahr 1920 starb, wurde Emilies Schwager Hermann Stern, der im Jahr 1900 ihre Schwester Henriette „Henny“ geheiratet hatte, zum Inhaber des Kaufhauses Lenneberg in dritter Generation.

Unmittelbar vor der „Arisierung“ des Kaufhauses im Jahr 1938 mit der Übernahme durch die Firma „Scholl & Co.“ standen bei Lennebergs 24 kaufmännische Angestellte und Arbeiter (20 weibliche, 4 männliche, darunter drei jüdische) sowie vier kaufmännische Auszubildende in Lohn und Arbeit. Die Bilanzprüfung aus dem Vorjahr (1937) ergab ein Betriebsvermögen von rund 200.000 Reichsmark bei einem Umsatz von ca. 463.000 Reichsmark. Für die Kleinstadt Attendorn mit ihren gut 6.500 Einwohnern und Einwohnerinnen war das Kaufhaus Lenneberg ein echter Wirtschaftsfaktor.

1928 starb Emilies Schwester Henriette und hinterließ ihrem Mann vier Kinder. In Zuge der antijüdischen Gewaltaktionen wurde Hermann festgenommen und im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert – erst am 28. November 1938 kam er wieder frei. Emilie, die ihren Neffen und Nichten vermutlich schon längst die Mutter ersetzt hatte, heiratete am 13. Januar 1939 ihren Schwager. Das Paar erhoffte sich durch diese Heirat eine bessere Möglichkeit zur Ausreise aus Nazi-Deutschland. Hier waren sie gezwungen, ihr Geschäft und ihr Haus aufzugeben und ab September 1941 den „Judenstern“ zu tragen – wie alle Jüdinnen und Juden. Auch wurden sie in eine Unterkunft eingewiesen – in das Böheimersche Haus. Im Februar 1942 versuchten die Eheleute verzweifelt, ins Ausland zu kommen, gingen aber zunächst nach Wuppertal-Elberfeld, wo sie an einem Englischkurs teilnahmen, um sich auf die Emigration vorzubereiten. In Elberfeld lebten zu diesem Zeitpunkt schon seit Längerem die ebenfalls aus Attendorn stammende fünfköpfige Familie Ursell, und es ist anzunehmen, dass die Familien sich gut kannten.

Zunächst wohnten Hermann und Emilie Stern in der Hellerstraße11, später zwangsweise im Haus Bleichstraße 22. Diese Straße ist heute das Teilstück der Bundesallee von Bembergstraße bis Brausenwerth.

Das Haus Nr. 22 war nach der Aufhebung des Mieterschutzes zur Zwangsunterkunft für jüdischer Mieter*innen erklärt worden. Es lebten dort in den Jahren 1941 und 1942 außer dem Ehepaar Stern noch Emil Sommer, Mathilde und Adolf Rubens, Josef Ney, Sally Löw, Franziska Lang, Johanne Mayer, Moritz Loeb mit seinem Sohn Helmut, Felix Goldberg, Leo und Hedwig Sonnenfeld und Karl und Paula Ursell – insgesamt also 16 Personen.

Die vier Kinder der Sterns konnten emigrieren, und auch die Visa für die Auswanderung der Eltern lagen bereits vor, aber der Plan scheiterte:

Am Montag, den 20. Juli 1942, mussten Emilie und Hermann Stern mit ihrem Gepäck und mit den verbliebenen Nachbarn zum Wuppertaler Bahnhof Steinbeck fahren und dort einen Zug besteigen, der insgesamt 271 Menschen nach Düsseldorf brachte, 247 aus Wuppertal, 14 aus Remscheid, sieben aus Solingen, je einen aus Neviges, Velbert und Heiligenhaus.

Alle mussten auf dem Schlachthofgelände in Düsseldorf-Derendorf eine Nacht zubringen. Am nächsten Tag wurde ein Transport zusammengestellt, der aus 20 Personenwagen bestand, in dem sich 965 Personen aus dem gesamten Gestapobezirk Düsseldorf befanden. Der Zug erreichte das Ghetto Theresienstadt am 22. Juli 1942.

Am 23. September 1942 wurde Emilie Stern zusammen mit ihrem Mann Hermann vom Ghetto in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und vermutlich sofort ermordet.

Emilie Stern war 61 Jahre alt.

Bildnachweis


Quellen


Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal: Deportationsliste Theresienstadt; Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung vor 420904; Jüdisch in Attendorn. Nachsuche: die Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Attendorn (=Jüdisches Leben im Kreis Olpe, Band 4) Olpe 2006; https://www.juedisch-in-attendorn.org/julius-ursell-weg/streckenverlauf-highlights-infos/station-11-kaufhaus-lenneberg/