Josef Dahl
Josef Dahl wurde am 22. November 1882 in Geilenkirchen als Sohn von Meyer Dahl und dessen Frau Rosa, geb. Meier geboren. Er war der Jüngste von vier Geschwistern: David Max war neun, Salomon vier und Adele drei Jahre älter.
Josef Dahl nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil, wurde aber verwundet und war danach blind und bis zum Lebensende auf Hilfe angewiesen.
Er zählt zu den Gründern des „Bundes erblindeter Krieger“, der es sich zur Aufgabe machte, für die 3.500 Kriegsblinden, die nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland lebten, eine angemessene materielle Versorgung und gesellschaftliche Anerkennung zu erreichen.
Verheiratet war Josef Dahl mit Elisabeth, genannt Elli, geb. Servos, die aber schon 1922 im jungen Alter von 27 Jahren starb. Sie hinterließ ihrem Mann den Sohn Eduard, der 1921 geboren worden und damit erst ein Jahr alt war, als seine Mutter starb. Deren Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg auf Feld E/I.
1920 waren Josef Dahl und seine Frau nach Elberfeld gezogen, wo schon seine Brüder David Max und Salomon lebten. David Max Dahl war Teilhaber der Firma „Wolf & Bamberger“ in der Schlieperstraße 1 und Salomon Teilhaber der Firma „Herz & Dahl“ in der Oststraße 4 (heute Weststraße). Josef Dahl wurde – als Kriegsblindem – der Pavillon am Hauptbahnhof Döppersberg als Ladenlokal für Tabakwaren zur Verfügung gestellt. Der Sohn Eduard erinnert sich: Die Miete war am Anfang niedrig, wurde aber allmählich bis auf 7% des Umsatzes heraufgesetzt, und meines Vaters Umsatz war im Jahr 1938 in dem man ihm das Geschäft abnahm, 160.000 Mark. Die Ziffern sind von der Eisenbahndirektion und beweisen die geschäftliche Tüchtigkeit meines Vaters.
Seine Schwester Adele heiratete den Kaufmann Harry Renberg.
Das nationalsozialistische „Boykottheft“ von 1935 führte die Brüder Dahl mit ihren jeweiligen Geschäften noch auf: Demnach hatte Josef Dahls Bruder David eine Herrenkleiderfabrik in der Hofaue 46 und wohnte in der Jägerhofstraße 19 und seine verwitwete Schwägerin Fanny wurde als Geschäftsinhaberin mit Wohnung in der Wotanstraße 7 aufgeführt. Er selbst hatte zu dieser Zeit ein Ladengeschäft für Zigarren und Zigaretten im Pavillon des Hauptbahnhofs. Seine Schwester Adele und deren Mann waren Eigentümer des „Textilhofs“ in der Herzogstraße, Ecke Hermann-Göring-Straße (heute Neumarktstraße) und eines weiteren Geschäfts im Werth 36 in Barmen.
Alle diese gut laufenden Unternehmen mussten unter dem Druck der Nationalsozialisten und ihrer Boykotte aufgegeben werden – bei Josef Dahl war das am 31.12.1938 der Fall, wenige Wochen nach den antijüdischen Ausschreitungen im November.
Am 31.12.1938 musste er endgültig sein Tabakwarengeschäft aufgeben. Sein Blindenhund wurde vergiftet, der Pavillon im Bahnhof Döppersberg zerstört.
Josef Dahls Sohn Eduard (später Edward) konnte 1938 aus Deutschland emigrieren. Er erinnerte sich später:
Mein Vater war, im Gegensatz zu seinen Brüdern, kein religiöser Jude und, als ich fragte, sagte er mir, er habe im Ersten Weltkrieg sehr viel von seiner Religion verloren. Er erinnerte sich, dass ihn einmal im Schützengraben ein Rabbiner besuchte und wegen seines beispielhaften Dienstes für Kaiser und Vaterland lobte. Mein Vater dachte, auf der französischen Seite steht auch ein Jude, der dasselbe Lob bekommt. Welchen Zweck hat so etwas?
Als 1933 Hitler an die Regierung kam, fragte ich meinen Vater, was wir tun sollten. Seine Antwort war: „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“ Von den 38 Mitgliedern meiner Familie sind 13 in Konzentrationslagern gestorben.
Von 1933 wurde der Antisemitismus in Deutschland jedes Jahr stärker. Auf der Schule, ich war im Hindenburg-Gymnasium (dem heutigen Gymnasium Bayreuther Straße), wurden die jüdischen Schüler von ihren Mitschülern boykottiert und von Spielen ausgeschlossen. Körperlich schwächere Schüler griffen die jüdischen Schüler an, da sie immer den Schutz der Stärkeren hatten und auch immer zu den Lehrern sagen konnten, dass die Juden schuldig waren. Ich muss zur Ehre meiner Lehrer sagen, dass sie sich fast ausnahmslos große Mühe gaben, für die ich auch heute noch dankbar bin.
Mein Vater glaubte, dass, als blinder Mann in einem Lande, dessen Sprache er nicht mehr lernen konnte, sein Leben zur Hölle würde. Ich wies daraufhin, dass das Leben der Juden durch Verfolgung und Zwangsarbeit immer schlimmer werden würde. Die letzten Worte meines Vaters werde ich nie vergessen: „Was kann man mit einem blinden Mann schon machen?“ Er fuhr acht Tage vor Kriegsausbruch von Maastricht nach Elberfeld zurück und ich fuhr nach England.
Von den letzten Tragödien meiner Familie erfuhr ich bald nach Ende des Krieges von den Juden, die selbst in den Lagern waren.
Mein Vater wurde im Konzentrationslager Theresienstadt von einem Naziführer mutwillig überfahren, weil er als blinder Mann ihm nicht aus dem Weg springen konnte.
Josef Dahl wurde am 20. Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und kam dort am 3. Mai 1943 um. Er wurde 61 Jahre alt.
Bildnachweis
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, Foto: Matthias Wellmer
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal: Deportationsliste Theresienstadt