Flora Kronacher, geb. Heumann
Flora Heumann war das älteste der vier Kinder des Schnittwarenhändlers Sigmund Heumann (1845-1896) und seiner Frau Ricka (1849-1929). Sie wurde am 7. Juli 1872 in Fürth geboren. Sie und der verwitwete Kaufmann Theodor Kronacher (1853-1913 Bamberg) schlossen am 12. Februar 1899 die Ehe und lebten danach zunächst in Bamberg. 1899 kam in Fürth der erste Sohn Siegfried zur Welt, 1901 in Bamberg der zweite, Ernst. Beide Söhne konnten in der NS-Zeit nach Valpareiso in Chile auswandern.
Flora Kronachers Mann Theodor war in Bamberg seit 1872 Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr – also ein akkulturierter und gut angesehener Bürger der Stadt. Er starb 1913 und wurde auf dem jüdischen Friedhof Bamberg bestattet [659].
Flora Kronacher kam offensichtlich mit ihrem Sohn Ernst 1925 nach Wuppertal und wohnte mit ihm in der Ehrenstraße 16 in Barmen, wie das Barmer Adressbuch 1930 angibt. Nachdem ihre Söhne ausgewandert waren, musste Flora Kronacher umziehen und wohnte nun in der Siegesstraße 84. Das Haus gehörte Josef und Cäcilie Rothschild, die schon in die USA ausgewandert waren. Am Montag, den 20. Juli 1942, musste sie sich zusammen mit ihrer jüdischen Nachbarin Hermine Marcks, geb. Goldberg, am Bahnhof Wuppertal-Steinbeck einfinden. Dort wurde sie in einer Menge von insgesamt 271 Personen aus Wuppertal, Remscheid, Solingen, Neviges und heilgenhaus zunächst nach Düsseldorf gefahren, wo sie alle einen. Nacht auf dem Schlachthofgelände Derendorf zubringen mussten. Am nächsten Tag fuhren sie mit einem Zug mit über 1000 Personen aus dem gesamten Gestapo-Bezirk in das Ghetto Theresienstadt bei Prag.
Schon zwei Monate später, am 21. September 1942, wurde Flora Kronacher – und mit ihr auch ihre frühere Nachbarin aus der Siegesstraße, Hermine Marcks – von dort aus in das Vernichtungslager Treblinka verbracht und dort sofort ermordet. Sie wurde 70 Jahre alt.
Auch ihre Geschwister Siegfried Salomon, Theodor und Sabine Heumann wurden Opfer der Verfolgung.
Ihr Sohn Ernst Kronacher, der in den 1970er Jahren aus dem Exil nach Deutschland zurückgekehrt war und in Frankfurt am Main lebte, schrieb im Juli 1982 an den Wuppertaler Schulrektor Ulrich Föhse folgenden Brief:
Ich kam 1925 nach Wuppertal in meinem Beruf als Industriekaufmann in einer Barmer Schuhfabrik. Vorher war ich schon bei den „Kameraden. Deutsch-jüdischer Wanderbund“ in meiner schönen und historischen Heimatstadt Bamberg.
In Wuppertal war es nicht schwer, an die jüdische Jugend heranzukommen. Eigentlich haben die Jungens und Mädchen darauf gewaret, ihrer Freizeit einen anderen Sinn zu geben als dies bisher üblich war. Es war leicht, die Jugend zu motivieren, anstelle von Tanz und Kino in die schöne Natur zu wandern und Heimabende abzuhalten. Es gab für uns Juden immer Anlass, uns mit ernsten Themen zu befassen. Besonders die wachsende zionistische Bewegung stellte uns vor erneute Probleme. Wir konnten und wollten es nicht glauben, dass unsere Heimat nicht Deutschland sondern Palästina sein soll. Aber niemand von uns glaubte, auch nicht nach der Machtübernahme, an eine solche Diskriminierung und an das bittere Ende [.…]. Nacht der Machtübernahme der Nazis [gingen die] Zionisten nach Israel. Die andern suchten in andere Länder zu kommen, wem es nicht gelang, starb in Auschwitz oder sonstwo. […] Es gelang meinem Bruder, dessen Frau und mir, in letzter Stunde ein Visum für Chile zu bekommen.
Wir verließen Ende Oktober (der Zweite Weltkrieg hatte schon begonnen) über Genua die alte Heimat und landeten nach 28 Tagen angenehmer Seefahrt in Valpareiso. Die dortige Bevölkerung wusste genau über unser Schicksal Bescheid und half uns, wo sie konnte. Die dortige schöne Landschaft und das gute Klima am mächtigen Pacifico hatten uns veranlasst, uns dort anzusiedeln. Wir bauten dort eine kleine Industrie auf und alles ging gut bis zum Jahr 1970. Dann kam eine kommunistische Regierung unter Allende und damit war es zu Ende mit der freien Wirtschaft. Wir gingen dann (70-jährig) in die alte Heimat zurück und haben uns in Frankfurt angesiedelt. Unsere Mutter und fast alle Verwandten sind von den Nazis umgebracht worden, darunter zwei Frontkämpfer aus dem Ersten Weltkrieg.
Quellen
Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung 250617; Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge: Deportationsliste Theresienstadt; https://juedisch-in-fuerth.repositorium.gf-franken.de/de/personen.html?permaLink=fue00517#ID_; https://fis.uni-bamberg.de/server/api/core/bitstreams/2261047b-fe8e-4bec-83d3-760fd42a0eed/content