Clara Nathan, geb. Herz
Clara Herz wurde am 22. April 1881 in Lingen an der Ems geboren. Sie stammte aus einer der ältesten jüdischen Familien der Stadt: Der Viehhändler Abraham Abraham aus dem westfälischen Lengerich, geboren 1720, war der erste Jude in Lingen mit einem Schutzbrief des preußischen Königs. Sein ältester Sohn Herz Abraham nahm in der Zeit der französischen Verwaltung den Namen „Herz“ als festen Familiennamen an.
Der Urenkel von Abraham Abraham, Hermann Herz, geboren 1851, führte das Schlachtergeschäft der Familie weiter. Er war verheiratet mit Elise Meyer aus Sögel, mit der er zehn Kinder hatte, von denen drei Söhne und zwei Töchter Opfer des Holocaust wurden.
Der zweitälteste Sohn, Joseph, geboren 1878, verließ Lingen und arbeitete seit 1905, später als Geschäftsführer, bei der Firma Tietz in Elberfeld.
Auch die Tochter Clara zog von Lingen nach Elberfeld. Sie war mit dem Kaufmann Edmund Nathan aus Gau-Algesheim verheiratet. Beide waren in Barmen als Geschäftsführer der dortigen Tietz-Filiale beschäftigt. Clara Nathans Bruder Joseph Herz war Geschäftsführer der Elberfelder Filiale. Die Familie lebte in Heckinghausen am Oberwall 58. 1937 emigrierte ihre Tochter Liselotte, später verheiratete Duschinksi (geboren 1920), nach London, der 1911 geborene Sohn Ernst nach Palästina. Er starb dort mit 99 Jahren 2011 in Tel Aviv.
Edmund Nathan wurde aus gesundheitlichen Gründen die Einreise nach Großbritannien verwehrt. Er starb am 4. Juni 1937 – ob es sich um einen Freitod handelte, ist nicht ganz klar. Sein Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof an der Hugostraße in Barmen (Feld M 46)
Am Dienstag, den 21. April 1942, musste Clara Nathan mit ihrem Gepäck und Proviant vom Oberwall 58 zum Bahnhof Wuppertal-Steinbeck kommen.
60 Jüdinnen und Juden aus Wuppertal, dazu je eine Person aus Remscheid, Neviges, Velbert und Hattingen mussten sich an diesem Frühlingsmorgen dort einfinden und wurden zunächst nach Düsseldorf gebracht, wo sie auf dem Schlachthofgelände Derendorf übernachten mussten. Am nächsten Tag wurde ein Transport mit insgesamt 387 Männern und 664 Frauen zusammengestellt, der den Bahnhof Derendorf am 22. April 1942 um 11.06 Uhr verließ. Die Route führte über Erkrath, Hagen, Paderborn, Northeim, Nordhausen, Halle (Saale), Cottbus, Sagan, Lissa, Ostrowo, Widzew, Skarzysko Kamienna, Radom, Deblin und Lublin nach Izbica. Nach ihrer Ankunft im Ghetto schrieben manche der Verschleppten Postkarten nach Hause, die auch ihr Ziel erreichten. Sie beweisen, dass die Menschen noch etwa sechs Monate am Leben geblieben sind, ehe sie im Oktober 1942 zu einem Vernichtungslager im Distrikt Lublin – vermutlich nach Sobibór – transportiert und dort sofort ermordet wurden.
Clara Nathan war 61 Jahre alt, als sie deportiert wurde.
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alter Synagoge: Deportationsliste Izbica | Gottwaldt, Alfred/ Schulle, Diana: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005 | Beiträge zur Heimatkunde der Stadt Schwelm und ihrer Umgebung 65. Heft, 2016, S. 33f | Stadtarchiv Wuppertal: Akten für Wiedergutmachung 608276 | https://www.lingen.de/politik-rathaus-service/unsere-stadt/stolpersteine/stolpersteine.html | Westdeutsche Zeitung 1.6.2017