Alfred Fleischhacker
Alfred Fleischhacker wurde als erstes Kind der Eheleute Max und Fanny Fleischhacker in Elberfeld geboren. Sein Vater Max war am 6. Juni 1881 in Düsseldorf geboren worden und führte bis zu seinem Tod am 30. November 1936 in Elberfeld ein Geschäft für Putz- und Modewaren. Im Jahr 1933 gab es dort etwa 33 Angestellte.
Helmut Hirsch, ein Neffe der Fleischhackers, erinnerte sich später, dass sogar die Dichterin Else Lasker-Schüler als junges Mädchen in diesem Geschäft einkaufte: „Meine Mutter, deren Familie die bergischen Dickköpfe generationenlang mit Filz, Samt, Seide, Stroh, Draht und weiß Gott was verziert hat […] erzählte mir, wie Else Schüler in ihr Stammgeschäft auf der Herzogstraße zu kommen pflegte. […] Singend zeigte sie mit dem Finger, was ihren durch die gläserne Rückwand des Schaufensters wandernden Blick reizte. Bunte Bänder an der Decke eines Putzgeschäftes bildeten den Himmel, in welchem die neuesten Damenhüte auf Engelsköpfchen ohne Unterleib schwebten. Und jedesmal, wenn Else dort oben so ein hübsches Band entdeckte, musste es auf ihren gesungenen Wunsch für sie heruntergenommen werden. Allerdings wurden die kleidsamen Seidenstückchen nun nicht auf dem Schädel, sondern in allen möglichen Verschlingungen und Verschleifungen um den Leib herum getragen, womit die Dichterin abermals bewies, dass manche Leute in jener Gegend Deutschlands nicht ohne persönliche Note sind.“
1933 heiratete Alfreds jüngere Schwester Lotte, die damals Medizin studierte, ihren zionistisch eingestellten Kommilitonen Kurt Winter in Tel Aviv und kehrte auch nicht wieder nach Elberfeld zurück. Im November 1936 starb Alfreds Vater, so dass seine Mutter Fanny nun als Alleinerbin die Leitung der Firma übernahm, und sicherlich wird ihr der 24-jährige gelernte Kaufmann Alfred im Geschäft beigestanden haben.
Im Zuge der antijüdischen Ausschreitungen am 10. November wurde Alfred Fleischhacker, wie so viele weitere Wuppertaler Männer, verhaftet, ins Polizeigefängnis Elberfeld verbracht und vom 17. bis 26. November in Dachau inhaftiert. Seine Gefangenen-Nummer war 29607.
Seine Schwester Lotte erinnert sich später: Er wurde wieder freigelassen. Ich nehme an, meine Mutter hatte ihn bei der SA oder SS „freigekauft“. Am 8. Dezember drohte man, ihn wieder zu holen, obwohl seine Emigration wohl schon fertig geplant gewesen ist (Gestapo-Schnellbrief vom 21.11.1938). Alfred versuchte vergeblich bis in die Nacht hinein, meine Mutter zu überreden, sich mit ihm zusammen das Leben zu nehmen. Aber meine Mutter widersprach: Es gibt immer noch einen Ausweg, ich nehme mir nicht das Leben. Nachts um zwei fand sie Alfred tot am Fensterkreuz hängen. Meine Mutter und Auguste, unsere treue Haushälterin, mussten ihn abnehmen und fuhren ihn am nächsten Tag auf einer Schubkarre zum jüdischen Friedhof. Mein Bruder war 26 Jahre alt, gesund, hatte sich aber leider nicht überzeugen lassen, dass es notwendig war, Deutschland zu verlassen. Es war bedrückend für mich, dass ich meiner Mutter in dieser furchtbaren Situation überhaupt nicht beistehen konnte. Ich selbst habe sehr unter Alfreds Tod gelitten. […] Vielen ist es ein Rätsel, warum ein junger Mensch, der rassisch verfolgt wurde, Deutschland nicht verlassen hat. Jedoch bedenken diese Frager nicht, dass auch die Emigration keine sichere Rettung war.
Alfred wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weinberg begraben. Friedhof K V/38
Alfreds und Lottes Mutter Fanny Fleischhacker wurde mit dem zweiten Transport Wuppertaler Jüdinnen und Juden am 10. November 1941, zusammen mit ihrem Bruder Karl und ihrer Schwägerin Selma, nach Minsk deportiert und vermutlich einige Tage später dort oder in Maly Trostenez erschossen.
Bildnachweis
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
- Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal
Quellen
Zeitzeugenerinnerungen Lotte Winter; Sammlung Föhse, Stadtarchiv Wuppertal, Akten für Wiedergutmachung 250664; Helmut Hirsch: Die tanzenden Else Lasker-Schüler, in: Westdeutsche Zeitung vom 19.8.1952