Sophie Zuckermann, geb. Maus
Sophie Zuckermann wurde am 28.2.1885 in Lublin in Polen geboren. Dort heiratete sie Samuel Zuckermann, mit dem sie 1905 als sogenannte „Ostjüdin“ ins Rheinland kam.
Die schlechte wirtschaftliche Lage in seiner Heimat wird das junge Ehepaar dazu bewogen haben, einen Neuanfang im Westen zu riskieren. Samuel arbeitete zunächst als Hilfsmechaniker in der Nähmaschinen- und Fahrradfabrik „Linde und Junkers“ in Düsseldorf, bevor er als gelernter Kaufmann und Mechaniker nach Elberfeld zog. Sein erstes Geschäft eröffnete er in der Wülfingstraße, wo er gebrauchte Nähmaschinen und Fahrräder in Zahlung nahm, reparierte und wiederverkaufte.
Vermutlich in dieser Zeit kam der erste Sohn zur Welt, der aber nicht lange gelebt hat. Mit dem zweiten Sohn fuhr Sophie Maus, hochschwanger, im Juni 1908 nach Lublin, um dort Verwandte zu besuchen. Dort starb auch dieses Kind, aber Leo wurde geboren, der die riskante Säuglingszeit überstand. Mittlerweile hatte die Familie die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Von der Ronsdorfer Straße war sie in die Bachstraße, heute Gathe) umgezogen. Sophies Sohn Leo erinnerte sich:
Von dort aus zogen wir in die Bachstraße No. 25. Unser Haus hatte ein Hinterhaus, wo eine jüdische Familie wohnte, die mit meinen Eltern verkehrte. Wie sie hießen und was aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht. Ich erinnere mich an dieses Haus, weil es um 1915 herum in eine Munitionspulverfabrik verwandelt wurde, in der nur Frauen arbeiteten. Alle waren hager, dünn und hatten im Verlaufe der Arbeit gelbe Gesichter und Hände bekommen. Ich fragte meine Mutter nach dem „Warum?“ und meine Mutter, als Pazifistin – sie trat nach dem Ersten Weltkrieg dem „Deutsch-Pazifistischen Bund“ mit dem Sitz in Hagen i. W. bei – war die erste Person, die mir über Krieg, Gräuel, Verwundete usw. sprach. Die Arbeiterinnen im Hinterhaus taten mir leid, weil sie immer schlechter aussahen und Viele Lungentuberkulose bekamen. Aber über das „Leidtun“ hinaus kamen meine politischen Erkenntnisse noch nicht.
Das zweite Geschäft eröffnete Samuel Zuckermann in der Klotzbahn. 1914 war er in der Lage, das Haus Luisenstraße 124 zu erwerben, wo er eine Nähmaschinenhandlung eröffnete. Das war kein Ladengeschäft mit Schaufenster, sondern ein Kontor mit Lager. Nur ein Transparent an der Hauswand deutete darauf hin, dass er die Geschäfte von seiner Wohnung im Untergeschoss aus abwickelte.
Laut Zeugenaussagen war Samuel ein sparsamer, fleißiger und bescheidener Geschäftsmann, der seinen auf Tauschgeschäften basierenden Betrieb schnell zu einem wohlhabenden Mittelstandsunternehmen ausbaute.
Samuel und seine Frau waren Mitglieder der SPD und der Deutschen Friedensgesellschaft. Beide waren keine strenggläubigen Juden, schickten jedoch ihre Söhne zum jüdischen Religionsunterricht. Die Tatsache, dass beide Söhne die Oberrealschule besuchten und mit dem Abitur beendeten, lässt darauf schließen, dass sie Bildung und gesellschaftlichen Aufstieg für wichtig hielt.
Ab 1933 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Zuckermanns wegen der fortschreitenden und sich zuspitzenden anti-jüdischen Maßnahmen. Die ganze Familie war politisch links eingestellt, so dass die Söhne bald auswandern mussten. Auch für Sophie hielt Samuel es für besser, das Land zu verlassen, so dass sie 1936 nach Frankreich emigrierte. Sie kaufte ein Haus in Enghien-les-Bains. Samuel blieb in Elberfeld zurück, da er seine Existenz nicht aufgeben wollte und der Überzeugung war, die Verfolgung überstehen zu können. Er besuchte seine Frau so lange wie möglich (bis 1938). Nach der Einführung des Judensterns im besetzen Frankreich musste Sophie auch dieses Zeichen tragen. Am 29. Oktober 1942 wurde sie verhaftet, nach Drancy verschleppt und am 11.11.1942 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Fünf Tage später wurde sie ermordet. Sophie Zuckermann war 57 Jahre alt.
Dass ihr Mann schon ein Jahr zuvor von Elberfeld aus nach Łódź deportiert worden war, hat sie vielleicht gar nicht mehr erfahren.
Bildnachweis
Quellen
Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge; Stadtarchiv Wuppertal, Akten für Wiedergutmachung 250 441; Susanne Mauss: Nicht zugelassen. Die jüdischen Rechtsanwälte im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf 1933-1945, Essen 2013, S. 542f.; Philipp Graf: Zweierlei Zugehörigkeit. Der jüdische Kommunist Leo Zuckermann und der Holocaust, Dresden 2024