Hedwig Treistmann mit ihrem Mann Moritz und ihrer Tochter Luise

Hedwig Jette Treistmann, geb. Stern

  • Geburtsdatum: 18.01.1879
  • Geburtsort: Meinerzhagen
  • Wohnort:

    Kronprinzenallee 101, Augustastraße 93

  • Todesdatum: nach 25.01.1941
  • Todesort: verm. Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek

Hedwig Stern wurde am 18. Januar 1879 in Meinerzhagen als zweites Kind der Eheleute Abraham und Marianne, geb. Rosenberg, geboren. Die Kaufmannsfamilien Stern und Rosenberg waren schon seit Generationen verwandtschaftlich miteinander verbunden. Hedwigs Bruder Willi z.B. war Inhaber des Textil- und Möbelgeschäfts „Stern und Rosenberg“ in Meinerzhagen.

Hedwig heiratete den Fabrikanten Moritz Moses Treistmann, der in Meinerzhagen die „Metallwarenfabrik Treistmann & Cie., GmbH“ betrieb, und bekam mit ihm drei Töchter: Anny, Hella und Viktoria. Mit der Eheschließung erwarb Hedwig die polnische Staatsangehörigkeit, weil ihr Mann Pole war. Offensichtlich hat Moritz im Jahr 1914 versucht, die deutsche Staatsangehörigkeit für seine Frau und sich zu bekommen, aber trotz Befürwortung der Gemeinde Meinerzhagen wurde das abgelehnt.

Familie Treistmann zog um 1917 nach Wuppertal um, und Moritz gründete hier eine Metallwaren-Fabrik in Unterbarmen, offensichtlich vor allem für Auto-Teile. Ihre Wohnung hatte die Familie in der Kronprinzenallee 101. Später verkaufte Moritz Treistmann seinen Betrieb und legte den Erlös in Immobilien an, indem er mehrere Mietshäuser erwarb: Rödigerstraße, Sedanstraße, Wichlinghauser Straße.

Ende Oktober 1938 wurde im Deutschen Reich eine groß angelegte und überraschende Verhaftung der Jüdinnen und Juden durchgeführt, die noch die polnische Staatsangehörigkeit besaßen. Aufgrund einer neuen polnischen Gesetzeslage sollten sie diese nämlich verlieren, falls sie ihre Visa nicht bis zum 30. Oktober verlängerten. Um diesen Verlust der polnischen Staatsangehörigkeit zu verhindern, wollte die deutsche Regierung die polnischen Juden mit Gewalt nach Polen abschieben.

Moritz und Hedwig Treistmann aber wurden rechtzeitig gewarnt und versteckten sich in den umliegenden Wäldern und auch bei Freunden, jüdischen und nichtjüdischen.

Erst als diese Aktion gegen die polnischen Juden abgeschlossen war, trauten sie sich vorübergehend wieder zu, die eigene Wohnung zu betreten. Zwischenzeitlich war in ihr entsprechend gehaust worden. Es waren die Möbel demoliert, schwere Steinbrocken von außen durch die Fenster geworfen, Wäsche herausgeworfen und teilweise zerstört. Die Bücher der Bücherei waren wahllos zerstört. (Eidesstattliche Versicherung der Töchter)

Während die beiden älteren Töchter nach und nach emigrierten – Anny, verheiratete Sternberg, nach Locarno in der Schweiz, Hella, verheiratet mit dem Bankkaufmann Friedmann, nach Argentinien, ­– war die Jüngste, Viktoria Luise, genannt Häschen, noch zu Hause, aber der Termin für ihre Auswanderung nach England stand fest: der 13. April 1939. Einen Tag zuvor, am 12. April 1939, verließen ihre Eltern die Stadt, um in Łódź bei einem Verwandten vorübergehend Unterkunft zu finden. Luise hätte die Eltern nach Polen begleitet, wenn sie nicht schon ihre eigenen Auswanderungspapiere gehabt hätte. So verließen die beiden älteren Leute mit ihrem kleinen Koffer Wuppertal allein. Nach wenigen Wochen wollten sie wieder nach Wuppertal zurückkehren. Vorbereitet war schon der Umzug von der Kronprinzenallee 101 in die Augustastraße 91, Ecke Cäcilienstraße. Tatsächlich wurde dieser Umzug während ihrer Abwesenheit durchgeführt.

Aber als Hedwig und Moritz Treistmann nach vier Wochen wieder nach Deutschland zurückkehren wollten, wurde ihnen die Einreise verwehrt.

„Unser Vater wurde dann in Polen sehr krank. Als die deutschen Truppen in Polen einmarschierten, mussten die Eltern zusammen mit den Verwandten in Łódź sowie mit anderen Juden nach Lublin. Die Verwandten versuchten, nach Zakopane zu entkommen, wurden jedoch abgefangen und sämtlich erschossen. (Eidesstattliche Versicherung der Töchter)

Hedwigs Mann Moritz starb am 25. September 1939 in Lublin an einer Blutvergiftung. Sie blieb allein zurück. Es existieren noch 16 Briefe und Karten, die sie platzsparend mit kleiner Handschrift beschrieb, um den Töchtern Nachricht von sich und ihren Sorgen zukommen zu lassen. Die letzte Karte aus dieser Sammlung stammt vom 25. Januar 1941 und ist erfüllt von der Freude einer Großmutter: Hedwigs jüngste Tochter Viktoria Luise, genannt „Häschen“, hatte im August 1940 ihren ersten Sohn Michael Moses Gruneberg zur Welt gebracht.

Vermutlich musste Hedwig Treistmann sehr bald danach in das im März eingerichtete Ghetto von Lublin ziehen. Von den einst in 42.000 in Lublin lebenden Juden und Jüdinnen überlebten nur 200 bis 300 den Holocaust – vielleicht war Hedwig unter den Opfern. Vielleicht wurde sie, weil das Ghetto Anfang 1942 aufgelöst werden sollte, in das Vernichtungslager Bełżec deportiert und dort ermordet. Vielleicht in das Vernichtungslager Majdanek. Hedwig Treistmann war 62 Jahre alt.

Eine letzte Karte von Vicky Gruneberg an die Eltern in Lublin kam an die Absenderin zurück.

Bildnachweis


  • Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal

Quellen


Begegnungsstätte Alte Synagoge, Slg. Föhse 114; Akte Treistmann T 3; Stadtarchiv Wuppertal, Akten für Wiedergutmachung: Eidesstattliche Versicherung; Stadtarchiv Meinerzhagen, E-Mail von Ira Zezulak-Hözer vom 24.-1.2012; Interview mit Dr. Stephen Gruneberg, London